Angepinnt Geläufige Missverständnisse und Fehler bei Bezeichnungen

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    • Geläufige Missverständnisse und Fehler bei Bezeichnungen

      Hallo zusammen!

      Nachdem ich immer wieder Beiträge und anderweitig Verschriftlichtes von Forumsbenutzer, und auch Instrumentenmachern, in Bezug auf Bezeichnungen von Instrumenten und Stimmungen lese, die schlicht und ergreifend ungenau und/oder falsch sind, ist es an der Zeit etwas Klarheit zu schaffen.

      Wie in jedem Fach sind die sog. termini technici ein Teil des Handwerkszeugs, mit welchem wir (teils tagtäglich) umgehen und welches man beherrschen sollte resp. muss. Oder denkt ihr ein Mathematiker sagt zu einem Element in einer Formel Sinus, obwohl's ein pi ist? Ich glaube nicht :D


      1. Stimmung eines Marktsackes

      Ein Standardmarktsack hat NICHT die Stimmung "G/a", sondern "A-Dorisch". Auch wenn viele Instrumentenbauer "G/a" (wegen der vermeintlich möglichen Tonarten G-Dur/a-moll) oder nur "G" (wegen tiefstem Ton) als Bezeichnung verwenden, ist das schlicht und ergreifend falsch, nicht mal halbrichtig, sondern 100%ig falsch. Die Bezeichnung geht immer vom Grundton (6-Finger-Ton) der - Achtung! - OHNE Gabelgriffe spielbaren Skala aus. Bei einem Standardmarktsack wären das folgende Töne (OHNE Gabelgriffe; Grundton fett/kursiv): g' a' h' c" d" e" f#" g" a", und diese entsprechen dem Kirchenmodus Dorisch in A. Es ist natürlich auch möglich über den Gabelgriff F die Skala A-Moll zu spielen, was in der Marktmusik sehr häufig vorkommt.
      • Warum kann ich nicht in G auf nem A-Schwein spielen?
        [align=justify]Weil eine Sackpfeife "reintönig" gestimmt ist, d.h. die Intervalle zwischen den einzelnen Tönen sind unterschiedlich groß. Anders ausgedrückt: es gibt Abweichungen von bis zu +/- 18cent (gerade bei den Dur-/Moll-Terzen zum Grundton) von der "temperierten Stimmung", bei der jeder Halbtonschritt genau 100cent beträgt.

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      • Warum macht man das und was hat das für Auswirkungen?
        [align=justify]Weil die reintönige Stimmung am besten zu einem grundtönigen Bordun klingt. Daraus ergibt sich auch, dass die Skala eines A-Instrumentes, das in G oder H (oder sonst einer Tonart) gespielt werden soll, nicht stimmt und dadurch falsch klingt. Auch wenn es für euer Ohren gut klingt, jeder Sackpfeifer, der länger spielt und auch bissl Ahnung hat, wird euch sagen, dass da etwas sehr falsch klingt. Wenn ihr in G spielen wollt, dann schafft euch ein G-Instrument an. Aber G auf A-Instrumenten gespielt ist unschön zum Anhören, da sich die nun verschobenen Intervalle mit dem G-Bordun reiben, sprich "Schwebungen" entstehen.
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        Wir haben nunmal ein tonartgebundenes Instrument und mit dem müssen wir leben.


      2. Schalmei vs. Rauschpfeife vs (Marktsack-)Spielpfeife

      Noch so ein Punkt, den unzählige Leute falsch machen. Mal wird eine Spielpfeife als Schalmei bezeichnet, mal eine Rauschpfeife und ein anderes mal, meinte man eine echte Schalmei und dann gab's da noch die Schalmeien, die man aus dem Fasching kennt. Aber was ist nun was und wie heißt was richtig?

      • Schalmei (und nicht Schalmey, Schalmay, Schallmey und andere orthorgraphische Perversionen):
        [align=justify]Die Schalmei ist ein Holzblasinstrument mit einem Doppelrohrblatt aus Schilf, welches direkt im Mund angespielt. Der Ton wird über die Lippenspannung direkt am Rohrblatt moduliert. Ein Daumenloch ist in den seltensten Fällen vorhanden. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Rauschpfeife/Spielpfeife ohne Windkapsel/Stock, sondern ist ein eigenständiges Instrument. Die Schalmei hat keinen Zapfen, der für eine Windkapsel/einen Stock gedacht ist, sondern wird mithilfe einer Lippenstütze (Pirouette) zur Entlastung selbiger gespielt.
        Der Ambitus liegt meistens bei etwa 2 Oktaven mit der Möglichkeit über Gabelgriffe und Halbdeckung eine vollchromatische Skala zu spielen.
        Im Vergleich zu Spielpfeifen ist eine Schalmei allerdings temperiert gestimmt, d.h. alle Halbtonschritte sind 100cent groß),und "atonal", d.h. dass die Schalmei auf keinen Grundton fixiert, und wird mit dem tiefsten spielbaren Ton bezeichnet (Bsp: Sopran C Schalmei hat als tiefsten Ton C).

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      • Rauschpfeife (und nicht Rauschpfeyfe und andere orthorgraphische Schweinereien):
        [align=justify]Die Rauschpfeife ist ebenfalls ein Holzblasinstrument, welches mit einem Doppelrohrblatt aus Schilf bestückt ist. Sie unterscheidet sich von der Schalmei zum einen durch die Windkapsel und zum anderen durch den steileren Konus, der das ganze Instrument etwas kompakter/kürzer und lauter macht. Richtige Rauschpfeifen haben in der Regel keinen Trichter. Im Gegensatz zur Schalmei haben Rauschpfeifen ein Daumenloch.
        Der Ambitus ist zwar mit einer Duodezime größer wie bei (Marktsack-)Spielpfeifen, allerdings auch kleiner wie bei echten Schalmeien. Gabelgriffe können auch hier gut eingesetzt werden, um weitere Halbtöne zu spielen. Rauschpfeifen werden in der Regel, wie Schalmeien auch, temperiert gestimmt.
        In der Umgangssprache wird auch eine Spielpfeife mit einer Windkapsel als Schalmei bezeichnet, was eigentlich so nicht ganz richtig ist.

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      • Spielpfeife (kurzum: das hauptsächlich tongebende Element bei Sackpfeifen))
        [align=justify]Bei Standardmarktsäcken ist die Stimmung A-Dorisch geläufig (NICHT G/a, warum siehe oben). Sie besitzt am Rohrblattsitz einen Zapfen, der für die Aufnahme in einem Stock oder gar einer Windkapsel gedacht ist. Der Konus ist im recht flach; von 1:16 bis 1:27 ist alles möglich. Durch den Konus erreicht die Spielpfeife ein sehr hohe Lautstärke, allerdings leidet die Überblasbarkeit und damit der Ambitus. Jener beträgt nämlich nur eine None (von Grundton zu Oktave und die große Sekunde unter dem Grundton: g' + a' bis a"). Ganz anders wie die Schalmei ist die Spielpfeife zum einen reintönig intoniert und zum anderen tonartgebunden.
        Halbtöne funktionieren je nach Hersteller und Rohrblatt mal mehr, mal weniger. Der Halbton F (für die Skala A-Moll) sollte aber standardmäßig auf allen Spielpfeifen über Gabelgriffe funktionieren.[/align]


      Ich bitte euch, stellt in diesem Thread keine Fragen oder Postings hinein, sondern schickt mir eure Fragen per PN und ich veröffentliche dann hier eine Antwort, sofern es zum Thread passt, sonst ufert es mit OT-Beiträgen aus.
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      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Abraxas ()

    • Ich bin ja schon lange ab davon in irgendwelchen Foren zu posten... Aber hier muß ich einfach nochmal posten :) Schalmeien sind ähnlich wie frühe Oboen nicht temperiert gestimmt. Selbige Instrumente verfügen über einige Kompromisstöne. Diese sogenannten Kompromisstöne werden mit einer speziellen Technik auf die entsprechende Tonhöhe moduliert. Diese Kompromisstöne gewähren eine gute Chromatik. Je nach Modell und Rohr muß man mehr oder weniger korrigieren.