Marktsack spielen in A und G

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    • Marktsack spielen in A und G

      Ich grüße alle Marktsacker.
      Das Spielen einer A-Spielpfeife mit einem G-Bordun wurde schon anderswo erwähnt und diskutiert, wobei Konsens herrschte dass es besser sei eine Marktsack-G-Spielpfeife zu haben oder eine Schäferpfeife. Allerdings empfinde ich nach wie vor dass G-Melodien auf dem A-Marktsack kein Tabu sein sollen. Meiner Erfahrung nach (Solo-Vorspielen in Vereinen und Kindertagesstätten) sind Volkslied-Klassiker immer eine gute Nummer, jenseits der Marktstandards in A, welche leider meist nur die Markt-Fans schätzen und nicht das durchschnittliche sackpfeifenfremde Publikum. Die Schäferpfeife als Folk-Instrument schlechthin ist zwar vollkommen besitzenswert, als Marktsackspieler müsste man sich jedoch deswegen nicht musikalisch einschränken, zumal die Marktsackpfeife mehr Möglichkeiten bietet als man ihr (als durchschnittlicher Mittelaltermarkt-Fan) normalerweise zugesteht. Mir ist auf jeden Fall noch kein Marksacker auf dem Markt begegnet der sein Instrument in G spielte.

      Gehen wir doch mal von einem Marktsack mit einer standardmäßigen rein gestimmten Spielpfeife, so wie sie von Güntzel/Fischer/Stecker/Ross/Eckhardt etc. gebaut wird. Es ergeben sich (meinem Wissensstand nach) bei reiner Stimmung auf G und auf A folgende Unterschiede (alle Zahlen sind in cent und repräsentieren die Abweichung von der gleichstufig temperierten Stimmung)

      g' (-4)und a' sind quasi identisch bei beiden Grundtonarten, keine extra Abweichung.
      h' ist bei A +4 --> bei G -13
      c" bei A ist +16 --> bei G -2
      Wenn die Spielpfeife eine CIS-Lösung hat, dann: cis" bei A -14 - bei G -9
      d" bei A -2 --> bei G +3
      e" bei A +2 --> bei G -15
      f" bei A +14 --> bei G +18
      fis" bei A -16 --> bei G -11
      gis" bei A -12 --> bei G +8

      Was ich hier sehe ist dass h', c'' und e'' abgeklebt werden können um "rein"zum G-Bordun zu werden. Gis'' entfällt leider. Die restlichen Töne bewegen sich innerhalb von 5 Cent Abweichung.

      Ich persönlich sehe keinen Grund dass diese Art der reversiblen Umstimmung des Marktsackes von den Marktsackspielern ignoriert werden soll. Es bringt mehr (GEMAfreie ^^ ) Stücke auf den Markt und erweitert den musikalischen Horizont sowie die Zielgruppe. Was ich jedoch gerne wüsste ist die Meinung von hier mitlesenden halb-professionellen und professionellen Sackpfeifenspielern, denn ich (als Dilettant) spiele meinen Marktssack oft in G und habe bisher mich weder am Klang noch an der Stimmung aufregen können. Ein Klangabgleich meines Marktsackes in G und Schäferpfeifen (Klangbeispiele auf YouTube von namhaften Spielern/Herstellern) hat mir bisher keine Töne offenbart die bei mir schräg klingen...
      - Ist die obige 5-Cent-Abweichung bei cis'', d'', f'' und fis'' für Euch hinnehmbar?
      - Können Klebeband den Klang der Spielpfeife tatsächlich negativ beeinflussen?


      An der Stelle möchte ich das Ganze einfach mal zur Diskussion freigeben.

      Wer Falschangaben findet darf mich selbstverständlich berichtigen.


      Gregorius
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Hi Gregorius

      Als erstes mal tatsächlich eine wichtige Korrektur:

      Mindestens zwei, eher drei der von Dir genannten Hersteller bauen in temperierter Stimmung (bei einem weiß ich es nicht aus erster Hand, bei mir selber und einem Weiteren bin ich mir sicher ;) )

      Es wurde hier ja in der Tat schon öfter über dieses Thema philosophiert. Ich kann nur wiederholen:

      - Die meisten Pfeifen sind sowieso temperiert gestimmt, entweder ab Werk oder von den Besitzern, wissentlich oder unwissentlich.
      - Man gewöhnt sich enorm schnell an Abweichungen und nimmt sie dann nicht mehr als unerträglich wahr.
      - Im Direkten Vergleich wird man dennoch feststellen, und zwar sehr deutlich, dass eine rein gestimmte Pfeife in der "falschen" Tonart gespielt einfach lange nicht so schön klingt.

      Und die üblichen Ergänzungen für die Praxis:

      - Was gar nicht geht sind rein- und temperiert (gleiche Instrumente, gleiche Tonart) im Zusammenspiel. Das ist wirklich unerträglich.
      - Um mit Marktsack in G zu spielen, braucht man zumindest einen auf G umstimmbaren Bordun oder muß ohne spielen.

      Zu guter Letzt zum Tape:

      Je kleiner die abgeklebten Löcher, desto stärker wird der Klang mit beeinflusst. Ebenso bei steigender Anzahl der so korrigierten Töne. Ein abgeklebtes Tonloch ist nicht dasselbe, wie ein einfach nur kleineres Loch. Wie bei einem kleineren Loch wird der betreffende Ton aber jedenfalls nicht nur tiefer, sondern auch leiser.

      *Edit*: Die vielen "Edits" waren nur der peinlichen Rechtschreibung und dem besseren Verständnis geschuldet.

      Dieser Beitrag wurde bereits 7 mal editiert, zuletzt von Arno ()

    • Arno schrieb:


      - Die meisten Pfeifen sind sowieso temperiert gestimmt, entweder ab Werk oder von den Besitzern, wissentlich oder unwissentlich.
      - Man gewöhnt sich enorm schnell an Abweichungen und nimmt sie dann nicht mehr als unerträglich wahr.

      Ist diese Praxis bei nur bei Marktsäcken verbreitet oder auch bei anderen (traditionellen) Sackpfeifen? Es klingt so als wäre die reine Stimmung eine Art Luxus...
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Neinenein, keineswegs!

      Diese Eigenart gibt es eigentlich ausschließlich bei Marktsäcken und es ist genauso wichtig, das zu wissen, wie auch zu wissen, dass das nicht unbedingt eine Schande ist...

      Weil das grundlegende Problem erstens nicht für alle Fälle zufriedenstellend lösbar ist und zweitens auch in anderen Bordunmusiktraditionen mitunter absichtlich davon abgewichen wird. Letzteres allerdings eher seit kurzem.

      Das ist z.B. ein gutes Argument für vier Melodiesaiten bei Drehleihern: Man kann ein "Saitenpaar" rein und das andere temperiert einstimmen (über die "Fähnchen", die die Saiten abgreifen) und ist somit flexibel...

      Es ist und bleibt ein philosophisches Problem bzw. eines der wenigen, bei denen der Begriff "Geschmacksache" mal wirklich angebracht ist und man nicht wirklich drüber streiten kann. Beide Seiten haben irgendwie Recht und auch bei klassischen Rohrblattinstrumenten wird nicht um 5 ct gestritten...

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Arno ()

    • Arno schrieb:

      Es ist und bleibt ein philosophisches Problem bzw. eines der wenigen, bei denen der Begriff "Geschmacksache" mal wirklich angebracht ist und man nicht wirklich drüber streiten kann.


      Das kann man sich genau so hinter die Ohren schreiben! Danke Arno!

      Was Geschmacksache ist, hängt aber auch immer von Zeit und Ort ab. In Bezug auf die temperierte Stimmung sollte man bedenken, in welchem Kontext sie sich entwickelt hat. Ausschlaggebend für diese "Kompromissstimmung" war das Bedürfnis von Komponisten, wie etwa J.S. Bach, am Tasteninstrument munter durch die verschiedensten Tonarten zu modulieren, ohne dass es zu "Wolfsquinten" kommt. Es ging also um mehrstimmige, abendländische Kunstmusik und nicht um (diatonische) Bordunmusik.

      Im Bereich der traditionellen Musik haben sich auch in Europe sehr lange andere Hörgewohnheiten und Stimmungen erhalten, die deutlich von der temperierten UND der reinen Stimmung abweichen.

      Die reine Stimmung ist z.B. bei der Highland Pipe eine recht neue Entwicklung.

      Bis in die 1980er Jahre wich die traditionelle Stimmung des Instruments noch von der reinen Stimmung ab. Zumindest bei einigen Tönen, wie etwa der Quarte, die deutlich höher gestimmt wurde, als die reine Quarte. Das entspricht heute einfach nicht mehr den verbreiteten Hörgewohnheiten. Heute gibt es sogar temperiert gestimmte Chanter. (gruselig! :imhoschild: )

      In anderen Traditionen ist es ganz ähnlich:

      - Gaita Galega wird heute je nach Einsatzgebiet mal rein (Banda de Gaitas / Solo), mal temperiert (moderner arrangierte Musik mit anderen temperierten Instrumenten, wie Akkordeon, Gitarre usw.) gestimmt.

      - Bretonischer Biniou und Veuze werden heute i.d.R. rein gestimmt. Umstimmen des Bordun um einen Ganzton ist hier auch normale Praxis. Die Abweichungen, die dabei entstehen werden entweder toleriert oder mit Wachs / Tape nachkorrigiert. Das ganze passiert hier umgekehrt zum Marktsack in A oder G. Bei einem A-Biniou spielt man "Dur" in A und "moll" in h. Der einzige wirklich störende Ton ist hierbei das fis (große Sexte), die in "Dur" 15,6 Cent von der temperierten Stimmung abweichen muss, um rein zu klingen. Mit dem Umstimmen auf H wird dieser Ton zur neuen Quinte und müsste dann 2 Cent nach oben abweichen. Das wird oft von bretonischen Instrumentenbauern berücksichtigt, so dass man es durch Abkleben ganz schnell anpassen kann.

      Ein wirklich umfangreiches und spannendes Thema, zu dem man noch sehr viel mehr schreiben könnte.

      Zur Ausgangsproblematik sehe ich es wie Manu. Ein funktionierendes cis erspart einem in den meisten Fällen das Umstimme des Borduns und eröffnet einem ganz viele wunderbare neue Möglichkeiten mit dem Marktsack.

      Viele (rein gestimmte) Grüße ;) ,

      Timo
      Die Sackpfeifenschule in Hamburg

      Tha mo bhàta-foluaimein loma-làn easgannan !
    • @ Arno & Timo
      Vielen Dank für die sehr hilfreichen Beiträge!

      Ich habe gerade die pythagoreische Stimmung mal schnell nachgerechnet und musste feststellen dass diese sehr nahe an der gleichstufig-temperierten liegt (Abweichungen im Bereich von plusminus 4 cent), wobei gleichzeitig die relevanten Unterschiede zur reinen Stimmung beim a-Dorisch eben bei c'' und fis'' zu liegen scheinen. Das wird bei einem pythagoreisch gestimmten Marktsack "nur" eine speziell klingende Terz und Sexte ergeben, der Rest müsste im Grunde ziemlich rein kingen und mit gleichstufig-temperierten Instrus keine Reibungen verursachen.

      Ich gebe gleich zu Protokoll warum mich die Sache mit dem G-Marktsack dermaßen interessiert: Die Rostocker Spielpfeife

      Da wir wissen dass im Hoch-und Spätmittelalter pythagoreische Stimmung Standard gewesen sein soll, ist es doch spannend zu erfahren wie nah ein gleichstufig gestimmter Marktsack in G an historische Stimmungen und archäologisch ergrabene Originale reichen kann. :love:
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • ...Inwieweit man da irgendwelche Rückschlüsse ziehen kann, hat Merit im Thread über die Rostocker Pfeife schon erklärt: Im Grunde gar nicht.

      Hier kommt jetzt sogar noch hinzu, dass Konisch- und zylindrisch gebohrte Instrumente "verglichen" werden sollen, was überhaupt nicht geht bzw. sinnvoll ist.

      Ich kann den Wunsch, mehr über die "originale", alte Musik und Instrumente zu erfahren gut verstehen, es gibt ganze Musikwissenschaftszweige, die sich mit sowas auseinandersetzen. Aber so einfach ist das nicht...
    • Arno schrieb:

      Ich kann den Wunsch, mehr über die "originale", alte Musik und Instrumente zu erfahren gut verstehen, es gibt ganze Musikwissenschaftszweige, die sich mit sowas auseinandersetzen. Aber so einfach ist das nicht...

      Deshalb bin ich auch der Meinung dass die professionelle Forschung auch von Profis betreben werden sollte. Wir, Marktsacker, könnten aber immer noch unsere kleine romantisch-verklärte Freude daran haben. ^^

      Beispiel... Meine Rauschpfeife von Güntzel ist neulich frisch geölt und gleichstufig-temperiert gestimmt worden. Außer der standardmäßigen Töne sind saubere es'', f'' und gis'' vorhanden, sowie cis'' (durch Halbdeckung) und ais' als Gabelgriff, der "nur" 8 cent zu hoch ist. In diesem Zustand ist die Rausche mehr oder weniger g-Moll tauglich. Die Rostocker Spielpfeife und ihre Rekonstruktion durch Thomas legen nahe dass im 15 Jh. g-Moll/g-Dorische Melodien gespielt wurden, denn sonst würde diese Pfeife ja nicht existieren. Und dieses Wissen allein + eine Rauschpfeife welche genau diesselbe Tonreihe bringt = hat durchaus seinen besonderen Reiz. Alles andere sollte man den professionellen Forschern überlassen.

      Von der Romantik mal abgesehen, bin ich auch der Auffassung dass eine volle Ausschöpfung des Marktsack-Potentials dem Instrument, der Szene und der Sackpfeifen-Spiel-Kultur in Dtl. und natürlich dem Publikum gut tun wird.
      Slow equals smooth and smooth equals fast