Nasse und trockene Reeds...

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    • Nasse und trockene Reeds...

      Hi Ihr

      So, da ich gerade Lust und Zeit habe und es nebenan zur Sprache kam, möchte ich hier mal ein oft missverstandenes Thema ansprechen, Nämlich die Sache mit dem oft empfohlenen Wässern von (Schilf)reeds.

      Wie so oft wird da nämlich ziemlich viel in einen Topf geworfen, was streng getrennt gehört!

      Prinzipiell ist es, ebenfalls wie so oft, so, dass es unterschiedliche Systeme gibt, die alle ihre Berechtigung haben, aber oft nicht oder nur bedingt austauschbar sind oder verstanden werden. Ein paar Beispiele, ich denke, so wird es am ehesten verständlich:

      - "Klassische", direkt mundgeblasene Reeds (Oboe, Fagott, Schalmei... Auch Saxophon oder Klarinette) sind darauf ausgelegt, in sehr nassem zustand zu spielen, da sich das ohnehin nicht vermeiden lässt. Es ist sogar so, dass die Speichelenzyme, die auch das Schilf mit der Zeit angreifen, soweit möglich konstruktiv und in der Materialwahl mitberücksichtigt sind. Ohne Wässern, längeres Einspielen (Teils über eine Woche der zwei) und Feuchthalten in kurzen Spielpausen funktioniert hier gar nix!

      - Krasses Gegenteil: Franzosen und UP: Beide Reedtypen verzeihen fast kein auch nur leicht erhöhtes Feuchtigkeitsniveau! Beide kann man durch direktes von Mund Anblasen innerhalb kürzester Zeit (1-2-min!) himmeln, und zwar unwiederbringlich. Die sind darauf nicht ausgelegt, was am verwendeten Material und der Bauform hängt.

      So, jetzt wird ´s etwas differenzierter:

      Vielleicht fällt auf, dass es ja durchaus üblich ist, Franzosensäcke Mundzublasen (UP dagegen gar nicht). Wieso kann das Schilf das vertragen, das direkt von Mund Anblasen aber nicht?
      Klarer Fall: Der Großteil der Anfallenden Feuchtigkeit landet im Sack und im Dichtmittel (Franzosen kennen soweit ich weiß kein Goretex oder haben es wieder aufgegeben), das Reed bleibt verhältnismäßig trocken.

      Man kann allerdings selbst mit franzosenreeds Rauschpfeifen bauen, wenn man das Reed VOR dem Einschaben schon wässert und entsprechend "Nass" weiter arbeitet. Ein solches Reed muß man von nun an aber vor dem Spielen ebenfalls wässern, trocken, auch z.B. in einem Sack, geht das dann ebenfalls nicht mehr!

      So, und jetzt zum Marktsack:

      Oft werden Schottenreeds verwendet. Diese sind eine ziemlich coole Sache, weil: Sie verzeihen unheimlich viel! ABER:

      Auch hier gilt: Ein einmal nass eingerichtetes Reed braucht auch in Zukunft viel Feuchtigkeit, ein trocken eingerichtetes geht, öfter mal gewässert oder gar abgelutscht (Speichelenzyme!) mitunter sehr schnell in die Knie, kann das aber durchaus mal ne Woche, manchmal auch länger mitmachen. Man muß nass eingerichtete Reeds aber auf jeden Fall vor dem Spielen auf ein entsprechendes Feuchtigkeitsniveau bringen (Einspielen und/oder Wässern). Imho ein großer Nachteil. Mit trocken eingerichteten Reeds kann man fast sofort loslegen.
      Auch hier spielt aber wieder das Sacksystem eine Rolle: Leder mit Knochenleim ist relativ trocken (hängt aber auch vom Leder ab!), Goretex mit Wasserfalle wird irgendwann etwas feuchter, Goretex ohne ist ziemlich nass, Gummi oder Plastik sollten inzwischen nicht mehr verwendet werden.

      Was bleibt übrig?

      - Fragt mich einer, ob er das Reed wässern soll, frage ich zurück, welches System er verwendet.

      - Erzählt mir einer, dieses oder jenes sei auf jeden Fall zu machen oder zu unterlassen frage ich zurück, auf welches System er sich bezieht.

      - Erwische ich jemanden beim Wässern oder Ablutschen von Franzosen- , UP- , oder auch meinen Marktsackreeds, verkneife ich mir, dem Betreffenden gleich eine runterzuhauen und beginne mit einem langgezogenen Aaaaaalso... :D

      Dieser Beitrag wurde bereits 4 mal editiert, zuletzt von Arno ()

    • Richtig.

      Das hat übrigens aber auch damit zu tun, dass Leute, die eben dieses praktizieren (ist ja weit verbreitet, schon allein aus vermeintlichen Kostengründen), sehr gerne zwar nicht zwingend das Reed (wie gesagt: Schottenreeds verzeihen viel, auch manche Marktsackreedbauformen), mangels Gewohnheit oder "Equipment" aber gleich die ganze Pfeife schrotten, weil sie die dann hinterher nicht trockenwischen...

      Die Reeds gehen (zum Glück, wenn man es optimistisch sehen möchte) bei dieser Praxis in der Regel beim vielen Ein- und Ausbauen durch "Anecken", also rein mechanisch, schneller kaputt, als der "wasserschaden" ins Gewicht fällt...

      Damit nicht genug ist das mit der Intonation halt auch so eine Sache: Feuchtigkeit ist ja nix rein virtuelles, sondern stoffliches Wasser, welches das Reed auch "schwerer" macht. Nass wird ´s also meist auch deutlich tiefer...

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Arno ()

    • Man muß nass eingerichtete Reeds aber auf jeden Fall vor dem Spielen auf ein entsprechendes Feuchtigkeitsniveau bringen (Einspielen und/oder Wässern). Imho ein großer Nachteil. Mit trocken eingerichteten Reeds kann man fast sofort loslegen.

      ++ Trockene Reeds sind meißtens aber auch um einiges schwerer, was das "sofort drauf loslegen" erschwert.


      Auch hier gilt: Ein einmal nass eingerichtetes Reed braucht auch in Zukunft viel Feuchtigkeit, ein trocken eingerichtetes geht, öfter mal gewässert oder gar abgelutscht (Speichelenzyme!) mitunter sehr schnell in die Knie, kann das aber durchaus mal ne Woche, manchmal auch länger mitmachen.

      ++ Eine Woche oder länger? Das ist etwas, was sich überhaupt nicht mit meiner Erfahrung deckt! Ich habe zum Teil schon 1 Reed über zwei Jahre gespielt und dabei immer schön abgeleckt und gewässert. Es wurde lediglich etwas dunkler und schmutziger...


      Damit nicht genug ist das mit der Intonation halt auch so eine Sache: Feuchtigkeit ist ja nix rein Virtuelles, sondern stoffliches Wasser, welches das Reed auch "schwerer" macht. Nass wird ´s also meist auch deutlich tiefer...

      ++ Konnte ich bisher auch nicht beobachten. Das Wasser hat das Reed ein paar ganz wenige Cent tiefer gemacht. Jedoch ist der Druck leichter, was die Höhe wieder relativiert.


      Ich weiß nicht so recht, wie kapriziös eure Instrumente sind, jedoch merke ich sogut wie keinen Unterschied zwischen einem feucht eingerichtetem Blatt oder einem trocken eingerichtetem Blatt. Die Unterschied sind bei mir sowas von minimalst.
    • Bitte verstehe meine Aussagen als grundlegende Hinweise, die das Verständnis um prinzipielle Zusammenhänge verbessern sollen, ich habe ja mehrfach betont, dass abweichende Erfahrungen durchaus möglich und i.d.R reed- oder Systembedingt sind.


      z.B.: Trocken richte ich auf ein Spieldruckniveau ein, welches, weiterhin trocken, auch so bleibt. Nass müsste/Könnte ich etwas drüber bleiben, weils nass leichter wird. Alles bestens, man musses nur wissen!


      Druck und Intonation:

      Hängen zweifelsfrei recht direkt zusammen, richtig. Siehe meine Schlussfolgerungen im ersten Posting: Du sagst mir, dass Du Nass magst und damit zurecht kommst. Alles paletti :thumbsup:

      Einzig das Ablutschen würde ich Dir empfehlen, abzustellen. Aber auch das erst, wenn Du ein neues Reed hast. Wenn Dein Altes das erträgt, ist ebenfalls alles o.k. Bedenke aber, selbst, wenn es erst nach 5 Jahren in die Knie geht, hätte es ohne vielleicht 10 ausgehalten. Das wäre doch wünschenswert, oder?

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Arno ()

    • Hey Arno,
      meine Reeds sind nach 2 Jahre Spielzeit meißtens zu leicht, sodass ein Wechsel eh erfordlich ist.
      Grundsätzlich finde ich auch alle deine Punkte logisch und nachvollziehbar und auf jeden Fall auch berechtigt, mir stoßen jedoch so Kommentare wie "Wer Reeds nass macht hat keine Ahnung" etwas auf.

      Dass das Ablecken nicht Methode Nr. 1 sein sollte ist mir allerdings auch bewusst. :)
      Gruß,
      Robert
    • :meldschild: Mein Senf nun auch noch. Arno ich gebe Dir Recht in allen Punkten, aber ..... ein Schottenreed in einem Lederbalg trocken einzurichten halte ich zumindest bei meinem jetzigen Wissensstand für an der Realität vorbei eingerichtet. Wenn ich bei der Probe zwei Stunden spiele, dann ist das Reed feucht. Also kann ich es besser gleich feucht machen, damit die Intonation stabil bleibt und es geht von Anfang an mit einem angenehmen gleichbleibenden Druck. Diese Beobachtung deckt sich mit der Aussage von Schottenpipern, dass eine Pipeband entweder geschlossen Leder oder -und das ist inzwischen wohl die Regel- geschlossen Syntheticbag mit Wasserfalle spielen muß. Weil traditionellen Pipes mit Lederbalg nach einiger Zeit um zehn bis zwanzig Cent in der Stimmung fallen und das macht sich nicht so gut bei Umzügen und Paraden.

      Von daher habe ich auch keine Bedenken, wenn jemand von mir eine Windkapsel haben möchte um seine Spielpfeife als Rauschpfeife zu nutzen.

      Ich sage ja auch fast immer dazu, dass die Reeds nur halb so lange halten wenn man sie feucht macht. Aber soweit ich weiß, hat das noch niemanden abgehalten.
      'n beeten scheev hett Gott leev 8o
    • @Matric:

      Völlig einverstanden. Solange man Schottenreeds benutzt, die kaum bearbeitet werden (sorry, nötiges EDIT: Will sagen: Solange man sich innerhalb eines bewährten Systems bewegt. Selbst in klassischen Orchestern wollen Dirigenten meist Rohrinstrumente von EINEM Hersteller und System sehen, nicht wild durcheinander. Aus denselben Gründen, die die Schotten dazu bewegen, ent- oder weder Systeme zu benutzen). Dann greift Deine Argumentation und die Vorgehensweise der Schotten voll. Ich selbst gehe da , konform zu meinen obigen Aussagen und Erfahrungen, einen gewissen Kompromiss ein, und ignoriere beim Einrichten ganz bewusst ein Stück weit die "Mundblasfeuchtigkeit". Damit lande ich dann in der Anwendung in etwa auf dem "Lang gespielt" Feuchtigkeitsniveau. Was mit Ledersack und Knochenleim (von mir) aber immernoch trockener ist, als z.B. Gore ohne Wasserfalle nach 10 min, das ganze seeeehr Lederabhängig ist... etc. pp. s.o.

      Es ist halt auch da wieder eine Sache der individuellen Erfahrungswerte. In dem Fall, bzw. immer dann, wenn es sehr ins Detail geht, eben etwas, was Sache der Instrumentenmacher und nicht/weniger der Kundschaft ist/sein kann. Deshalb halte ich auch kollegialen Austausch oder wenigsten Kontakt untereinander für so wichtig. Schließlich sollte man im Zweifellsfall auch wissen, was ein anderer Macher sich so gedacht hat, wenn man sein Konstrukt mal auf dem Tisch hat (imho unvermeidbar und auch völlig o.k). Schließlich will man seine Kundschaft ja weder hängen lassen, noch vor selbiger ahnungslos da stehen... Und wenn sich ein Macher solcherart reviergepisst fühlt, sollte man das ebenfalls wissen. Dann geht ´s nämlich noch ohne Anwälte. Und wer kann die schon leiden :D



      Vom Reed- Zum juristischen Problem... Soll noch einer behaupten, Dudelsäcke wären keine ernst zu nehmenden Instrumente...

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Arno ()

    • Rovadorion schrieb:

      Zitat
      Soll noch einer behaupten, Dudelsäcke wären keine ernst zu nehmenden Instrumente...

      Wer behauptet das eigentlich? :P

      Indirekt verkörpert das jeder der mit 3-6 Monaten Übung seinen Sack untern Arm klemmt und sich voller Vorfreude damit zum nächsten Markt begibt um Straßen"Musik" zuu machen... :ohnoschild: :seufzschild: :dagegenschild:

      ...und sich dann hoffentlich nach 30 Min. gedemütigt und verlacht wieder nach Hause schleicht
    • Ich hab gar keine Erfahrungen mit Horrorgedudel auf Märkten, ich geh einfach auf zu wenige... Sollte ich wohl mal tun und schauen, ob ich schon was Fluchtwürdiges höre. Ich nehm meinen Sack wohl frühestens in zwei Jahren irgendwohin mit, um ganz sicher zu gehen :D

      Nein, das Video kenn ich nicht - aber ich erinnere mich an eines, wo jemand fröhlich und motiviert auf einem (schottischen) Practice Chanter das Palästinalied (oder einen anderen Marktkracher)... naja... spielt und dann auf die Kommentare, die den seltsamen Klang des Ganzen hervorheben, antwortet "muß so sein, das ist Mittelalter".
      Is fearr Gaeilge bhriste ná Béarla cliste.
    • mick schrieb:

      Erinnert sich noch jemand an den Menschen, der ganz stolz das Video von seinen ersten Versuchen auf seinem ersten, vor wenigen Stunden erstandenen Dudelsack einstellte und sofort verkündete, wo er am nächsten Wochenende seinen ersten Auftritt absolvieren würde?

      Ein gewisser Herr der immernoch sehr gerne Videos von seinen neusten Errungenschaften und Erkenntnissen macht?? :D