Ist der Mittelalter-Boom zu Ende?

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    • Derweil in Sachsen...

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      Vor 10 Jahren gab es Ostern mindestens ein halbes Dutzend Mittelaltermärkte in Sachsen, heute sind nur noch zwei übrig, und wie man den obigen Links entnehmen kann befindet sich unter den gelisteten vier Bands keine einzige klassische "Mittelalter"- Rockband dessen Hauptinstrumente Marktsäcke sind.

      Ich habe nun seit zwei Jahren keine live Marktsack-Darbietung mehr gehört.

      Damit möchte ich mitteilen dass der sog. "Mittelaltermarkt" und Sackpfeifen allgemein hier in Sachsen entgültig zu einer Randerscheinung geworden sind. Weder bei Schulen, Vereinen noch allgemeinen Volksfesten findet sich irgendwelches Interesse für Sackpfeifen und alles was damit zu tun hat.

      Grüße
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Ich persönlich habe eine Theorie, woran es liegen könnte, dass Mittelaltermärkte auf einem absteigenden Ast sind. Meine Beobachtung ist, dass Mittelaltermärkte überhaupt nicht wissen, was sie überhaupt sein wollen:

      Familienfeste, zu dem man auch seine Kinder mitbringen und als Familie Spaß haben kann?
      Ungehemmte Saufgelage mit Verkleidung a la Fasching?
      Verkaufsveranstaltungen, bei denen Händler versuchen, ihren minderwertigen Mist (Schmuck, Essen, Klamotten etc.) zu verkaufen?
      Kleine Festivals, bei denen es tatsächlich um Musik geht?
      Veranstaltungen, bei denen es tatsächlich um Authentizität geht?

      Ich glaube, dass bei Mittelaltermärkten alles mitschwingt bzw. dass der Anspruch ist, dass man alle diese Bedürfnisse zu befriedigen versucht. Das ist aber schwer möglich, wenn man sich allein schon die ersten beiden Punkte anschaut. Jemand, der mit seinen Kindern einen tollen Tag haben möchte, wird wohl kaum irgendwo hingehen, wo sich die Leute hemmungslos die Kante geben. Und eine Gruppe, die sich mittels bewusstseinsverändernder Substanzen sämtliche Gehirnwindungen begradigen will, wird sich von einem "Familienfest" nicht unbedingt angesprochen fühlen :kopfkratz: Und jemand, der nach Authentizität sucht, KANN auf Mittelaltermärkten nur enttäuscht werden. Ebenso kann man nur enttäuscht werden, wenn man der Musik wegen auf Mittelaltermärkte geht und hofft, da mal was Neues zu entdecken. Es wird immer nur das Selbe gespielt, zwar mit einer gewissen Varianz, aber der musikalische Grundstock bzw. das Repertoire ist doch immer gleich.

      Eine Zeitlang mag das Konzept funktioniert haben, weil es eben verhältnismäßig neu und darüber hinaus ein Boom war und jede der angepeilten Zielgruppen geschaut hat, ob Mittelaltermärkte diese Bedürfnisse befriedigen können. Mittlerweile dürften aber alle realisiert haben, dass das so nicht möglich ist. Ich denke, wenn man einen erfolgreichen Mittelaltermarkt etablieren will, muss man sich als erstes die Frage stellen, was denn eigentlich der eigene Anspruch ist und welche Zielgruppe man ansprechen will und das Konzept des Marktes dann exakt auf diese Zielgruppe zuschneiden. Wenn man einen Markt machen will, bei dem man alle zufriedenstellen will, wird das letztlich dazu führen, dass am Ende alle unzufrieden sind.
    • Hej Zusammen!
      Bin zwar in dem Sinne szenefremd (war seit Jahren auf keinem MA-Markt, beweg mich fast nur in der Folk-Szene), aber trotzdem meinen Senf dazu:
      Immer wieder mal gibt es diese: "Früher war alles besser-Threads" und ich kann da nur so halb mitgehen.
      Sicher, die Märkte werden weniger, sicher, das Angebot dort wird weniger spannend, aber woran liegt das?
      Ich glaube wir selbst haben das in der Hand:
      Sieht man sich die Entwicklung der MA-Märkte und derene Ursprünge an kommt folgendes bei raus:
      Am Anfang waren da ein paar Freaks (ist ganz lieb gemeint), die sich mit einem Thema beschäfftigt haben (Zelte nähen, färben, Mugge machen usw.)
      und irgendwann angefangen haben Märkte zu organisieren.
      Das stieß auf offene Ohren, und es kamen Touris. Die kauften Zeug, hieleten die Szene am Leben, und für ein paar Jahre war alles schön.
      Irgendwann wurde das Interesse für die Produkte auf den Märkten kleiner, die Schausteller überlegten womit sie weiterhin Geld verdienen konnten,
      und Zack, jetzt haben wir was wir haben.

      In all den Diskussionen überr den Niedergang von Dingen fehlen mir zwei Betrachtungen:
      1. Wir leben (wohl oder Übel) im (plakativ gemeint) Kapitalismus.
      Das heißt viele Angebote ist darauf ausgelegt, damit Geld zu verdienen. Mit etwas Glück gibt es unter den
      Anbietern Leute die einfach nur davon Leben wollen, ohne fett Geld zu scheffeln, aber auch die müssen davon leben können.

      2. Es besteht die Möglichkeit, selbst Dinge zu organsieren, und fern des "Systems" eigene - und vielleicht bessere -Veranstaltungen zu machen.

      Das heißt doch aber, das wir die Macht haben, oder etwa nicht?
      Wenn sich zwei, drei Lagergruppen zusammenschließen, irgendwo ein schickes Gelände finden, und einfach mal einen Markt mit Niveau organisieren
      wär doch was gewonnen. Das Ganze einfach als Party anlegen, Zaun drum rum, und Eintritt nehmen.
      Wenn keiner kommt, war's halt ein schönes Wochenende (und eh jmd. sagt da geht nicht - ich sag doch, man muss sich nur bewegen)

      und zweitens:
      Leute, gebt Geld aus:
      Wenn die paar Leute die auf den Märkten noch Niveau haben daran scheitern, das sie nicht von leben können geben auch diese irgendwann auf.
      Mal ehrlich: Am Ende gehen die meisten (auch die die gern Niveauvolles betrachten) auf einen Markt, zahlen dort Eintritt,
      essen eine Bratwurst, kaufen vielleicht noch irgendeine Kleinigkeit - gucken beim Weber (oder irgendwem anderen) einmal die teueren Sachen an,
      freuen sich das das wer kann (ohne was zu kaufen), und gehen dann wieder.

      Das ist am Ende in ganz vielen Bereichen so.
      Am Ende darf man nicht vergessen das man sich darüber freut Profis dabei zuzusehen wie sie eine Sache gut machen.
      Und Profis gibt es nur, wenn diese in der Lage sind, einer Sache professionell nachzugehen.

      So, das mal als Denkanstoß.
      Also, aufgestanden und losorganisiert - oder zumindest in's Auto gestiegen und zu der Veranstaltung gefahten die eben noch Niveau hat.
      Und bitte nicht an der "100km ist mir zu weit weg!"-Marke scheitern.
      Wir sind eine Subkultur, und für die muss man was tun.

      Nix für ungut,
      Liebe Grüße,
      Mattis
    • @mattis
      Meine Position ist, ich möchte die "Mittelaltermärkte" gar nicht "retten"!
      Die Sache ist die. Die MA-Märkte waren ein Produkt der Postmoderne, wo die ganze Gesellschaft zu gerne in romantisch-verklärter Fantasy und "alten Zeiten" schwelgte. Ninjas, Samurai, Ritter, Gothic, Wikinger, Harry Potter, Japan, LOTR, dreißig Jahre lang waren alle verrückt nach all dem. MA-Märkte speisten sich aus derselben Quelle!
      Jede Epoche und ihr Lebensgefühl enden früher oder später. Aus der Perspektive des Erziehers kann ich definitiv sagen dass Lebensgefühl und der Musikgeschmack sich stark gewandelt haben. Die klassische postmoderne Lebensweise nähert sich ihrem Ende, gesellschaftlich und wirtschaftlich. Die Märkte hatten ihre Zeit, nun ist mal Schluss. Das Konzept und das Lebensgefühl haben ausgedient.

      In einer Sache lag ich aber falsch.

      Ich nahm an die rasante Verbreitung des Marktsackes und der Märkte würde das Instrument auch außerhalb der MA-Szene etablieren, Musiker würden den Marktsack aufgreifen und damit weiterführend experimentieren. Dies ist nicht geschehen. Der Marktsack verschwindet von der Bildfläche zusammen mit den Märkten und gerät zunehmend in musikalische Vergessenheit. Und auch die Tatsache dass so viele sehr bekannte MA-Bands sich musikalisch während der letzten 20 Jahre kaum weiterentwickelt haben, spricht dafür dass der Marktsack seit je her funktionaler Teil des Marktes war und ohne den Markt kaum lebensfähig ist.

      Ich war heute das letzte Mal auf einem "Mittelaltermarkt". Für mich gilt die Sache als abgeschlossen.
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Gregorius schrieb:

      spricht dafür dass der Marktsack seit je her funktionaler Teil des Marktes war und ohne den Markt kaum lebensfähig ist.

      Das würde ich so nicht unterschreiben. Ich selbst war auf genug Märkten, auf denen es keine Marktsäcke gab. Solange es Feuershows, Gauklerparaden, Schwertkämpfe und wandelnde Pestleichen gab, waren die Leute zufrieden (wenn es noch Eis für die Kinder und Met für die Papas gab). Meine Erfahrung ist, dass die Musik hier nie im Mittelpunkt gestanden hat. Es war nett, wenn es welche gab, aber wenn keine Marktsäcke da waren, hat sich auch niemand daran gestört - es sei denn, man ist selbst Musiker.


      Gregorius schrieb:

      Ich nahm an die rasante Verbreitung des Marktsackes und der Märkte würde das Instrument auch außerhalb der MA-Szene etablieren, Musiker würden den Marktsack aufgreifen und damit weiterführend experimentieren.

      An welche Musiker/welche Art von Musikern hast du hier konkret gedacht? Ich glaube, dass Instrumente, die über eine gewisse Tradition verfügen bzw. mit einer bestimmten Zeit verknüpft sind, in der populären Musik nicht gefragt sind. Hier bildet aber der Dudelsack keine Ausnahme. Auch viele Blechblasinstrumente gehören beispielsweise dazu. Tuba, Posaune, Trompete und co sind in den Köpfen der Mehrheit auch immer noch mit Preußens Gloria, der freiwilligen Feuerwehr oder abgelegenen Bergdörfern verknüpft und ihnen haftet daher etwas Veraltetes an (wenn man mal von Ska absieht, die diese Instrumente benutzen und etwas Neues daraus machen). Umgekehrt finden auch Dudelsäcke in der Musik noch Verwendung - auch wenn es sich nicht um "reine" Mittelaltermusik handelt (man denke etwa an Metal oder Punk). Sie stehen hier allerdings nicht im Mittelpunkt, sondern werden eher dazu genutzt, Akzente zu setzen.

      Der Marktsack (bzw. Dudelsäcke allgemein - bei Hümmelchen ist es ja noch schlimmer) ist seit jeher ein Nischeninstrument gewesen, das für den Massengeschmack nicht geeignet ist, weil es eben nicht modern ist und einen eigentümlichen Klang hat. Ich persönlich kann daran nichts Schlimmes finden. Man spielt ja keinen Dudelsack, weil man cool sein oder die Herzen der Mädchen brechen will, sondern weil man das Instrument selbst cool findet und - wenn man Glück hat - noch weitere Menschen findet, die ähnliche "Freaks" (ebenfalls lieb gemeint!) sind.

      Abgesehen davon gibt es ja tatsächlich Musiker, die aus ihren Dudelsäcken das letzte herausholen und wirklich innovativ sind. Das wird dann aber nur innerhalb der Szene rezipiert und nicht von der Allgemeinheit.
    • Habe gerade dieses Thema per Zufall entdeckt und mich prompt daran erinnert, ja ebenfalls einen Zugang in diesem Forum zu haben...

      Wie auch immer, ich möchte auch einmal meine Sicht dazu geben:
      Ich gehöre eher zur neuen Generation, die die "Mittelalterszene" für sich entdeckt hat und deswegen die damaligen Zeiten nicht mitbekommen hat. Genau genommen bin ich seit ungefähr 2014/15 dabei.

      Mein persönlicher Eindruck ist, dass das Gegenteil der Fall ist. Gerade MPS ist populärer denn je, vor allem in meiner Generation (Studenten/Schüler). Allein der Ansturm letztes Jahr aufs MPS in Öjendorf war mehr als beeindruckend. Ich bin gespannt, was passieren wird, wenn das MPS aufgegeben wird, was ja laut dem Veranstalter die nächsten Jahre passieren wird. Ob sich das dann alles im Sand verläuft?

      Jedenfalls findet momentan ein Umdenken statt und eine neue Richtung etabliert sich auf den Märkten.

      Ich sage nur Pagan Folk.
      Faun, die inzwischen genauso zu den Größen gehören wie SaMo, InEx oder CC (wie hier anfangs erwähnt), haben einen Bekanntheitsgrad, der meiner Meinung nach den von CC inzwischen übersteigt. Zumindest hat Faun letztes Jahr das Mehr! Theater in Hamburg gefüllt, CC spielt immer noch in den eher kleineren Locations.
      Und dann, natürlich, Heilung.
      Heilung hat dieses Jahr auf den Wacken Winter Nights Fans aus allen Herren Länder angezogen, die extra nur wegen der Band gekommen sind. Wardrunas Popularität wächst und wächst, Waldkauz ist vor wenigen Jahren erst gegründet worden und zieht jetzt schon eine betrachtliche Menge an Fans auf den Märkten an.

      Das hat zwar nicht mehr viel mit dem Mittelalter zu tun, um genau zu sein eigentlich gar nichts, dennoch sind die Mittelaltermärkte eine Plattform für diese Bands. Irgendwie hat sich da in den letzten Jahren eine Art Untergruppe entwickelt, die gerade eigenständig wird und ich wage die Prognose, dass diese Art von Bands die Märkte vor ihrem Ausrotten retten wird.

      Auch dieser ganze Hype um Asatru, die Wikinger und was weiß ich alles, trägt dazu bei. Man wird weniger die Ritter, Mägde und Könige mehr sehen, das Bild wird sich wandeln in Fell tragende Mettrinker und Dreadlock tragende Waldelfen (um das mal etwas zu überspitzen :D ). Dieser Hype steht gerade in den Kinderschuhen und ich bin gespannt, wie es sich entwickeln wird.

      Der Marktsack wird an Popularität verlieren, denke ich, dafür werden wieder Harfen, Drehleiern und natürlich allerhand Krimskrams wie Knochen oder Felltrommeln (siehe Heilung) ausgegraben.

      Zumindest ist das der Eindruck, den ich habe. Zumal gerade diese Bands auch die Jüngeren anziehen. Ich schätze, die meisten Hörer von Pagan Folk sind um die 20.
      Ob die alteingessesenen Mittelaltermarktgänger mit ihrer Authentizität das so gut finden, wage ich zu bezweifeln, aber so ist das nun einmal. Dann wird der Mittelaltermarkt wohl das Ding der Generation darüber und es wird mit ihnen wachsen. Schätze, alle 10 Jahre kommt eben so ein neuer Szenentrend, waren es damals die Rock'n Roller, dann die Punks und die Goths und jetzt die Mittelaltermarktmenschen und jetzt eben die Pagan Szene. Klar gibt es in allen Szenen auch jüngere und ältere Menschen, aber es gibt dann doch die Alterstendenz.
      Zumindest ist das mein Eindruck, was meint ihr?
    • @LadyAgi

      Alles richtig, was du schreibst, allerdings ist das etwas völlig anderes und widerspricht deiner Aussage, dass "das Gegenteil der Fall" wäre.

      Nennen wir es mal historomantische pop-events.
      Das ist dann eben kein Mittelaltermarkt.
      Aber wenn wir ehrlich sind, gab es in den letzten 40 Jahren eh keinen echten Mittelaltermarkt.
      Und der Marktsack hat daran auch nichts echter gemacht.

      Das war schon immer ein phantasy-ding.
      Und jetzt strömt es eben woanders hin.

      mal sehen, worüber wir hier in 15 Jahren diskutieren (falls Artikel 13 bis dahin keine Kinder kriegt)
    • AvB schrieb:

      Insgesamt war's ne schöne Zeit, aber mei - ich komm auch langsam ins Alter
      Ob es nur am Alter liegt? :) Diejenigen die in den 1970ern und 1980ern geboren wurden, hat's mit dem asiatischen Kampfkunst - Hype damals voll erwischt. Wushu, Ninjutsu, Iaido, Aikido, usw. Zwar ist der Hype vorbei, man hat aber immer noch diese 40 bis 50-jährige die nach wie vor das Zeug üben und Schulen leiten. Das Alter ist dieser Szene wohl kein Hindernis.

      Blooddigger schrieb:

      Meine Erfahrung ist, dass die Musik hier nie im Mittelpunkt gestanden hat.

      Blooddigger schrieb:

      An welche Musiker/welche Art von Musikern hast du hier konkret gedacht?
      Generell ja, aber es gab eine kurze Zeit wo es anders war. Damals in frühen 2000ern, wo In Extremo es ins Mainstream-Fernsehen geschafft hat und live-Konzerte mit "Skudrinka", "Traubentritt" und "Villeman Og Manhild" auf dem Marktsack auf VIVA liefen. Die Zeit wo auf einmal MA-Bands wie Pilze aus dem Boden sprießten. Es gab eine Experimentierfreude die zu Kombinationen wie Marktsack+Elektro, Marktsack+Metal, Marktsack+Folk, Marktsack+Symphonieorchester usw. geführt hat. Corvus Corax hat da sehr viel beigetragen. Ich nahm an all diese "Experimente" würden weiter geführt und die MA-Szene würde sich ähnlich dem Folk weiter entwickeln, wo es alle möglichen Kombos gibt.... Das ist leider nicht geschehen.

      Blooddigger schrieb:

      Tuba, Posaune, Trompete und co sind in den Köpfen der Mehrheit auch immer noch mit Preußens Gloria, der freiwilligen Feuerwehr oder abgelegenen Bergdörfern verknüpft und ihnen haftet daher etwas Veraltetes an (wenn man mal von Ska absieht, die diese Instrumente benutzen und etwas Neues daraus machen).
      Da fällt mir doch spontant die Meute ein. Oder Too Many Zooz. Diese Künstler schaffen es ganz gut gewöhnliche Leute für ihre Musik zu begeistern mit quasi typischen "oldschool" - Instrumenten. Soweit ich weiß hat bisher keiner so etwas mit Marktsäcken oder Schäferpfeifen versucht.
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Schelmenkopf schrieb:

      Die Zeit in der wir leben, hat das Gechichten-und Märchenerzählen an sich fast komplett verloren und die Brücke zwischen Realität und Fiktion eingerissen - dadurch geht einerseits das Fantastische verloren und andererseits der Superlativ, eine gewisse Epik, die die Geschichte in der Bedeutung über den Alltag erhebt und somit Besonderes schafft.
      Ich für meinen Part habe inzwischen als Pädagoge eine Hypothese warum das so ist...

      Es ist auffällig dass die sog. "Mittelalter-Bewegung" (1970er bis 2010er) vor allem von zwei bestimmten Generationen getragen wurde, den Baby Boomern, die diese Bewegung in den 1970ern überhaupt erst hervorriefen, und der Generation X ("Null-Bock-Generation", "Nirvana-Generation", usw.) welche im Prinzip den Mittelatermarkt und Marktsack popularisiert hat. Ob In Extremo, Corvus Corax und ähnlich bekannte Bands, diese waren und sinds bis heute vorwiegend mit Vertretern der GenX besetzt.

      Mitte der 2000er zeichnete sich ein Generationenwechsel ab, die ältesten Vertreter der Generation Y ("Millennials") wurden nun 20 Jahre alt, und teilweise sehr jung besetzte MA-Bands spießten wie Pilze nach dem Regen... Nur um nach einer sehr kurzen Zeit wieder in der Versenkung zu verschwinden ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Warum?

      In meinen Augen ist folgendes passiert. Als ältere Millennials volljährig wurden, begann gleichzeitig die Zeit der Social Media und der Smartphones. Und die darauf folgende Generation Z ("Zoomers") kannte schon mal gar nichts anderes mehr. Musik wurde zu einer immer verfügbaren Ware, kompakt in der Hosentasche liegend, es dudelt und singt immer und überall so dass man als Mensch ja geradezu gezwungen wird alles Musik zu ignorieren um sein Gehirn nicht extrem zu überlasten.

      Aber noch gravierender wirkte das Internet und Social Media auf menschliche Lebenswelten. Romantik, Verklärung, Fantasie und Epik, so wie die älteren Generationen es kennen, wurden ersetzt. Wie? Man geht ins Social Media, auf eine der zahlreichen Selbstdarstellungs-Plattformen, und erschaffe mittels eines Accounts ein Fantasiebild seines Selbst, so wie man sich eben sehen will. Mittels Bilder und Beiträge kann man sich als absolut Alles präsentieren, eigene Fantasiewelt erschaffen oder einer bereits existierenden virtuellen Fantasiewelt beitreten. Will man z.B. ein Drachentöter sein, braucht man keine Kostüme, LARP oder ähnliches - man gehe auf eine bekannte Videoplattform, suche sich ein Video aus mit einem typischen paranoid-reißerischem Titel wie "IT HAPPENED! GAME OVER!!! Verbotenes Wissen geleakt!" und man "erfährt" dass es wohl tatsächlich Drachen gab, und "logischerweise" auch Menschen welche diese gejagt und getötet haben. Dabei werden auch Hinweise "präsentiert" dass wohl gerade Sie als Zuschauer sehr wahrscheinlich von einem dieser Drachentöter abstammen, d.h. sie "wissen" jetzt dass sie ein waschechter Drachentöter sind, ohne je von ihrem Stuhl, Sofa oder Sessel aufzustehen oder ihre eigene Fantasie und Kreativität anzustrengen.

      Um es kurz zusammen zu fassen, es fand wohl kein Generationenwechsel statt. Millennials und Zoomers hatten einfach nicht genug Interesse, weder an der Mittelalter-Bewegung noch an historischen Instrumenten.


      LG George
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Irgendwie bin ich dankbar fürdie Wiederaufnahme dieses Threads.

      Den Vorrednern bzw. deren Thesen ist zuzustimmen:

      Ich konnte im Sommer letztenJahres auf eines der wenigen Freiluftevents der Szene gehen:
      Vertreten waren über drei Tage z. B. Corvus Corax, Faun, Tanzwut (dann leider erkrankt); Saltatio Mortis,InEx.

      Das Publikum war abererstaunlicherweise recht "alt", will heißen, so ab 25, eher 30 aufwärts, darunter waren nur wenige zu verzeichnen. Die Masse war 35+ alt.

      Ein Generationenwechsel hat nicht stattgefunden.

      Den Eindruck hatte ich aber vor Corona auch schon.

      Die Frage ist dann auch, ob im Ergebnis des Trends mit den besagten Bands, die das Musikgefühl und somit zum großen Teil auch das Lebensgefühl mittragen/-trugen, irgendwann auch einmal die Szene sterben wird.

      Im Heavy-Metal-Bereich sieht man Ähnliches, wenn auch nicht so extrem: Es gibt zwar, wenn überhaupt, ziemlich viel, glücklicherweise meist kurzlebigen, Schrott, der einfach nur Krach macht, aber es kommt keine Qualität nach. Auch wenn die heute qualitativ Hochwertigen auch mal kleiner angefangen haben mögen, fällt eine dahingehende Negativprognnose nicht schwer. Und zur Bestätigung derer verschwindet der meiste Schrott auch bald wieder – wie auch die Masse der bereits angesprochen Mittelalternativ-Sprieß-Pilze.

      Dass Lieder / Themen mit der Zeit kommen und gehen, ist m. E. dabei nicht das Problem:

      Das ist im gesamten Musikkontext der Fall.

      In diesem Sinne überlebt entweder nur Zeitloses oder qualitativ Hochwertiges.
      Siehe Johann Strauß Donauwalzer - den hört und tanzt ein bestimmtes Klientel immer noch, obgleich es die KuK-Monarchie nicht mehr gibt. "Knowing me, Knowing you" von Abba räumt auch bei Kiddis in der Dorfdisco ab 14 mit ab. Schrott der Marke "Eih wat läuft Spasst, ich fick Deine Mutter am Mast..." - kennt in zwei Jahren aber keiner mehr..

      Was also tun:

      Zeitloses und oder qualitativ Hochwertiges zu schaffen wäre somit das Ziel – meiner Meinung nach.

      Denn in keinem Scheiß-Social-Media-Tik-You-Fuck-Tube-Channel kann man das Gefühl von wirklicher Phantasie, von mir aus Larp oder das Mitschwingen einer Masse, die bei bestimmten Titeln dann einfach entweder bebt oder ums Feuer springt,vermitteln.

      Wie das aber, wenn so wasimmer weniger wirklich stattfindet:

      So, wie ich irgendwo schonmal schreib:

      Es ist die Frage, was man persönlich aus einem „Trend“ oder eine phantastischen Vorstellung macht und wie man andere mitreißen kann, wenn man das will. Setze ich mich hin und flenne über einen Sterben nach, wird es nicht besser, es läßt sich nicht aufhalten.Vielmehr stelle ich auch irgendwann das Instrument zur Seite.

      Oder ich mach eben weiter und kümmere mich nicht um den anderen Kram oder die Meinungen, die suggerieren,dass es online auch ginge oder konsumiert werden könne (Gut in Coronazeiten ist das teilweise anders…).

      Das mag sicher schwer sein,auch ist es manchmal typabhängig. Meiner einer ist eher ein Einzelgänger, dersich allein ans Feuer setzt oder seine Lieder ohne Publikum spielt.

      Auch bin ich seit 2017 ehervon der MA-Seite größetenteils zu den Schotten hin abgefallen.

      Aber die erwähnte Art hat sich dort erhalten bzw. kann dahingehend auch kultiviert und als Solopiper ins Extreme getrieben werden.

      Und dabei bemerke ich sehr häufig:
      Wenn man sich in seiner Vorstellungswelt irgendwohin in eine Kirche oder auf einen Berg oder in einen alten Steinbruch stellt oder sich mit „der Tröte“ etwas weiter entfernt vom Lagerfeuer positioniert und dann spielt und dabei meine ich nicht irgendwelchen verschwurbelten, verschmierten Kram, sondern so, wie es zum Teil auch akribisch gefeordert und gelehrt wird, dann reißt das die Leute mit, begeistert sogar vorher vollkommen Unbeleckte und zwar nicht nur speziell auf das Instrument bezogen, sondern auchallgemein und dauerhaft.

      Dass man so evtl. zu einer Nischenerscheinung wird – die Schotten sind das ja ohne Zweifel – und keine Massenbewegung gerieren kann, muss man hinnehmen - auch im MA-Bereich.

      Aber bitte, was ist dennbesser:

      Eine Nische, in der sich Leute mit Freude miteinander in ihrer Welt live tummeln oder der Untergang inder Masse dauerhaften Geklingels, Gebimmels etc. ?

      Vielleicht ist der Untergang ja eine Chance, neugeboren zu werden ?

      Ralph

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Ralph ()

    • Schelmenkopf schrieb:

      Mir ging es eigentlich mehr um den relativ engen, kreativen Korridor - teils aufgrund des Instruments, teils aufgrund unserer Gegenwart und der Wegfall von Bräuchen, Ritualen, Arbeiten. Beispielsweise passen Blues und Arbeiterlieder kaum noch in unsere
      westlich geprägte Welt, genauso wie Kirchenlieder oder Lieder zur Ernte, etc.. Die Enstehung solcher Lieder setzt auch voraus,
      das eine entsprechend große Gruppe sich mit dem Inhalt identifizieren kann

      Ralph schrieb:

      Was also tun:

      Zeitloses und oder qualitativ Hochwertiges zu schaffen wäre somit das Ziel – meiner Meinung nach.

      Ralph schrieb:

      Vielleicht ist der Untergang ja eine Chance, neugeboren zu werden ?

      Ein sehr gutes Beispiel: Die Outdoor- und Bushcraft - Szene!

      Noch vor 10 Jahren wurden diese Leute in der Öffentlichkeit eher als Spinner wahrgenommen, die sich nur mit einem Messer bestückt in die Wildnis begeben, sich irgendwo in eine selbstgebaute Hütte eingraben und sich dabei nur noch von Klee und Würmern ernähren. Heute aber ist diese Szene im Social Media so präsent wie noch nie und findet gerade unter Millennials und Zoomers ein Millionenpublikum. Stichwort: Fritz Meinecke und sein 7 VS Wild. Die Szene ist dabei heute so vielfältig und breit geworden, das Bild des Bushcrafters als das eines apokalyptisch angehauchten Spinners ist längst überwunden.

      Natur, Überleben, Jagen, mit eigenen Händen was bauen, diese Inhalte sind wahrlich zeitlos und die Millennials und Zoomers werden davon gegenwärtig voll mitgerissen, und das bei weitem nicht nur im deutschsprachigen Raum.

      Was aber Geschichte angeht, und alles was damit zusammen hängt, hören wir seit Jahren das Gejammer der Sachverständigen wie die Medien (und oft genug die Historiker selbst) seit Jahrzehnten immer noch dabei sind die Massen mit immer denselben Klischees zu füttern, wobei das Mittelalter natürlich den größten Kübel an Mythen und Desinformation abbekommt. Ob Mittelaltermarkt, Geschichts-Doku oder historische Musik, die absolute Mehrheit dessen was der Millennial oder Zoomer heute von Massenmedien als "Geschichte" serviert bekommt, sind langweilige abgedroschene clickbait-lastige Klischees. Dementsprechend ist die Motivation jener Generationen sich mit Geschichte zu beschäftigen eher gering, was natürlich auch auf MA-Märkte und historische Instrumente ausstrahlt.

      Meiner bescheidenen Meinung nach lässt sich Zeitloses und qualitativ Hochwertiges nur dann schaffen, wenn ausgelutschte Klischees endlich mal über Bord gekippt werden.

      Und das möglichst konsequent.
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • George schrieb:

      Meiner bescheidenen Meinung nach lässt sich Zeitloses und qualitativ Hochwertiges nur dann schaffen, wenn ausgelutschte Klischees endlich mal über Bord gekippt werden.

      Und das möglichst konsequent.
      Na ja, konsequent sicher. Aber ich glaube, dass das nur parallel zum langsamen AUsschleichen aus dem Gewohnten geht. Natürlich könnte man abwarten, bis das eine ganz tot ist, um dann mühsam von vorn anfangen zu müssen.

      Leichter ist es m. E. aber, konsequent mit dem dann Zeitlosem/Hochwertigen neben dem Ausgelutschten und Klischeehaften einzusickern. Veilleicht sogar mal einen Vergleich zu riskieren, damit die Öffentlichkeit /Szene/potentielle Szene augenscheinlich geführt bekommt, was eigentlich für Schrott und Unsinn existiert und wie es auch sein könnte.

      Beispiel:

      Man wird es sicher nicht hinbekommen, irgendeinen MA-Markt/-konzert oder Ähnliches ohne irgendeine mehr oder weniger gute oder schlechte Version eines Andro oder einer Pavane hinzubekommen. Erst recht nicht die diversen Versuche, das immer schneller zu spielen, um sich an seiner eigenen Schnelligkeit zu erfreuen, die zum Schluß nur musikalisches Geschmiere produziert (Konnte ich neulich bei Corvus Corax in einem "Duett", in dem die zwei Beteiligten dann weder synchron waren, noch selbst hinterherkamen, dann abbrachen, irgendwie vor sich hin lachten und erwarteten, dass die Menge begeistert sein würde (was sie aber nicht war)).

      Man kann das auch nicht verbieten.

      Aber wenn man sich dann mal danebenstellt und was anderes spielt, was eben zeitlos und hochwertig ist oder von mir aus ggf. auch nicht "mittelalternativ", sondern wirklich am mutmaßlichen Original - wie auch immer das beschaffen sein mag (nehme mich dahingehend zurück, da sollen die Musikhistoriker mal sprechen) - orientiert ist, wird man sehen, dass sich das Publikum einem selbst zuwendet und die andere Seite verläßt.

      Man möge es mir verzeihen, da das hier nicht das geeignete Forum dafür ist:

      Aber:

      Ich weigere mich nicht nur, in meinem Repertoire auf der GHB "Scotland the Brave" oder "Highland Cathedral" (Hochlandkarpfenteich) zu spielen - ich habe es deswegen nicht mal gelernt - und wenn es Massbandproben/-auftritte gibt, laufe ich auch nicht mit und spiele nur ein "High A" (das kann man immer als Beigleitton spielen, wenn man das Stück gar nicht kann und somit nur für den backgroun sorgen will) - ich nehme mich komplett raus.

      Sicher, das kann zu Anfang etwas frustrieren und man wird schnell mal als Sonderling gesehen. Aber wenn man dann wirklich Anspruchsvolles, Qualitatives und halbwegs Originäres - und da gibt es auch genügend "Partytaugliches" - spielt, hören die Leute ganz anders zu - und niemand verlangt das Ausgekatschte auch nur als Zugabe.

      Andererseits ist eben noch nicht an dem - oder wird es vielleicht auch nie sein - dass es die erwähnten Gassenhauer nicht benötigt.

      Ist ein langer Process, aber es geht.

      Ralph

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von Ralph ()

    • Nach meiner Erfahrung lassen sich die Leute immer begeistern, wenn du etwas mit deinem Instrument vorträgst.
      Da spielt der Zeitgeist keine Rolle.
      Leidenschaft steckt an!

      Ralph schrieb:

      Ich weigere mich nicht nur, in meinem Repertoire auf der GHB "Scotland the Brave" oder "Highland Cathedral" (Hochlandkarpfenteich) zu spielen - ich habe es deswegen nicht mal gelernt - und wenn es Massbandproben/-auftritte gibt, laufe ich auch nicht mit und spiele nur ein "High A" (das kann man immer als Beigleitton spielen, wenn man das Stück gar nicht kann und somit nur für den backgroun sorgen will) - ich nehme mich komplett raus.
      Wieso bist Du dann dabei?

      Ralph schrieb:

      Wenn man sich in seiner Vorstellungswelt irgendwohin in eine Kirche oder auf einen Berg oder in einen alten Steinbruch stellt oder sich mit „der Tröte“ etwas weiter entfernt vom Lagerfeuer positioniert und dann spielt und dabei meine ich nicht irgendwelchen verschwurbelten, verschmierten Kram, sondern so, wie es zum Teil auch akribisch gefeordert und gelehrt wird, dann reißt das die Leute mit, begeistert sogar vorher vollkommen Unbeleckte und zwar nicht nur speziell auf das Instrument bezogen, sondern auchallgemein und dauerhaft.
      Genau das meine ich, und der Rest...who cares?!
    • c-b-b-b schrieb:

      Wieso bist Du dann dabei?

      Genau das meine ich, und der Rest...who cares?!
      Gibt ja auch noch was jenseits vom Massenkrach einer 0815-Militärkapelle oder dergestalt gelagerter Proben bei Wokshops o. ä. - wenn Dir das schon mal aufgefallen sein sollte. Aber wahrscheinlich nicht....

      Who cares ?

      Wenn Dich nicht, lies es doch nicht bzw. zuvörderst erst mal die vorangegangenen Beiträge des Threads, vielleicht erschließt sich Dir dann ja ansatzweise ein Zusammenhang. Vielleicht kannst Du dann ja auch was inhaltlich Wertvolles zum Thema beitragen.
    • Ich habe in den vergangenen Monaten und Jahren auch einen Wandel festgestellt - einen Wandel, der mir nicht unbedingt gefällt. Man denke etwa an SaMo oder auch an Santiano. Besagte Bands haben zwar Folk (im sehr weit gefassten Sinn) salonfähig gemacht, aber die Zielgruppen sind ganz andere als noch vor ein paar Jahren. Früher war das Musik für "Freaks", d.h. Fans von Fantasy, Geschichtsinteressierten oder eben Fans von historischen Instrumenten. Heute ist es Musik für Mittvierziger, die nicht begreifen können, dass sie keine 20 mehr sind. Ich überspitze mal: "Wir haben immer gesoffen und gevögelt und lassen uns das Saufen und Vögeln nicht verbieten - auch wenn wir alt sind. Wir stehen außerhalb der Gesellschaft, weil wir uns frei von ihren Zwängen machen." (SaMo und teilweise auch InEx) Damit bewegt sich das in Hinblick auf die Texte auf demselben Niveau wie die Toten Hosen oder die Onkelz oder gar Freiwild. Schnarch. ODER sowas wie "Wir fahren mit dem Schiff, sind einsam, denken an das Liebchen Zuhause und vögeln, sobald wir an Land gehen. Und zwischendurch saufen wir, weil wir halt Seeleute sind". (Santiano) Damit bewegt man sich auf demselben Niveau wie Wolfgang Petry oder der Wendler oder auch Heino. Diese Musik hat eine sehr geringe Halbwertszeit, denn sie wird sofort vergessen, sobald was Neues da ist, das ähnlich funktioniert.

      Dass besagte Bands historische Instrumente einsetzen, fällt dabei kaum ins Gewicht, weil sich die Zielgruppe nicht dafür interessiert. Wichtig für die Zielgruppen sind die Texte. Die Texte sind Kitsch in seiner reinsten Form (weil sie an niedere Instinkte appellieren), einfach strukturiert, ohne Metaebene und immer nach demselben Schema. Es ist wie Astronautennahrung - irgendwie ist es ja schon was zu essen, aber es hat mit richtigem Essen nichts zu tun. Und weil es eben so gefällig und einfach strukturiert ist, haben diese Bands bei der breiten Masse Erfolg. Nicht wegen der Instrumente, sondern wegen der textlichen Einfachheit. ABER: Weil diese Bands solche Instrumente nutzen, werden diese Instrumente auch zu etwas Banalem, etwas, das zu "einfachen" Texten passt, etwas, das nicht zu höherem zu gebrauchen ist.

      Musiker, die ihre Instrumente beherrschen und virtuos damit umgehen, werden von der breiten Masse nicht wahrgenommen, weil die Musik zu edgy ist. Sie bewegt sich außerhalb der eigenen musikalischen Gewohnheiten und Grenzen und es ist einfach...zu viel. Solange der Dudelsack, das Akkordeon, die Schalmei genutzt wird, um dem Stück einen weiteren Rebellen- oder Seemannstouch zu verpassen, ist es ja okay, aber wehe, man stellt diese Instrumente in den Fokus. Dann ist es einfach zu viel.

      Man könnte sich jetzt darüber beschweren und vom Ausverkauf des Folks und der Mittelalterszene sprechen, aber das Jammern über die Kommerzialisierung wird diesen Prozess nicht aufhalten. Man könnte es auch einfach akzeptieren und mit einem Schulterzucken hinnehmen und weiterhin sein Ding machen. Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass Mittelaltermusik und Folkmusik Musik von der Nische für die Nische ist und ich finde es auch absolut okay so. Wenn die Mehrheit keine Lust auf virtuose Musik hat, muss man sie auch nicht damit penetrieren. Sollen die sich doch mit Einfachheit zufriedengeben. Virtuose Musiker finden ihre Zielgruppe, die zwar kleiner ist, für die ihre Musik aber kein Konsumgut unter vielen anderen ist und entsprechend auch nicht in der Versenkung verschwindet, sobald was Neues da ist. Bei den Freaks sind auch Alben, die 20 Jahre alt sind, immer noch gut und wertvoll, bei der breiten Masse halt nicht.

      Wenn man Musik macht, muss man sich selbst die Frage beantworten, was man eigentlich sein und machen will. Will ich berühmt werden? Will ich Kenner mit meinem Tun begeistern? Oder will ich einfach, aus purem Spaß an der Freude, in meinem stillen Kämmerlein vor mich hin dudeln und ab und zu was für die Familie spielen und hin und wieder was im Internet hochladen (in dem Wissen, dass es noch Luft nach oben gibt)? Bei mir ist letzteres der Fall, aber diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen und jede der drei Möglichkeiten hat sicherlich seine Existenzberechtigung.