Ist der Mittelalter-Boom zu Ende?

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    • Blooddigger schrieb:

      Ich finde es irgendwie immer kritisch, wenn man unterstellt, alle Menschen einer Generation würden gleich ticken. GenX tickt so, GenY tickt so, Baby Boomer ticken so etc., ganz so, als wären alle Menschen einer Generation gleich, hätten die gleichen Wertvorstellungen und dieselbe Haltung. Das ist ein Schubladendenken, das eigentlich niemandem weiterhilft und keinen konkreten Nutzen hat - zumal dann, wenn man es nur vom Geburtsjahr abhängig macht. Das ist doch irgendwie eine arge Vereinfachung der Welt. Aber vielleicht ist das so ein Ding der Pädagogen, die sich auf diese Art versuchen, die Welt zu erklären. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass die Welt deutlich komplexer ist und dass man mit einfachen Erklärungsmustern nicht weit kommt.
      Und das sage ich jetzt ohne jeglichen Sarkasmus oder Ironie; wenn jemand glaubt dass die Prägung der Menschen durch ihre jeweilige generationsspezifische Lebenswelt überschätzt wird, und zwar konkret in Bezug auf Kunst, Musik & Lebensgefühl (denn es geht hier genau darum, nur um diese bestimmte Bereiche) - ich würde da ohne zu zögern eine fachliche Debatte beginnen und mich eines Besseren belehren lassen! Vielleicht gibt es neue Daten, neue Studien, Untersuchungen, von denen ich bisher wenig mitbekommen habe. Anstatt wie eine "beleidigte Leberwurst" da zu stehen da die Leute ja "meine Fachkompetenz infrage gestellt haben," ziehe ich es vor meinen eigenen Wissensstand immer als unvolständig zu betrachten und offen für neues Wissen zu sein.

      In Bezug auf:

      Blooddigger schrieb:

      Was du über MA-Bands sagst, ist ja genau das, was ich oben geschrieben habe. Viele MA-Bands versuchen auf Böhse Onkelz zu machen - freilich mit Dudelsäcken und Schalmeien. Und das kommt offenbar gut an, und zwar über alle Generationen hinweg.
      ... möchte ich anmerken, dass ich seit über 12 Jahren im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit tätig bin, was heißen soll die Bedürfnisse, das Lebensgefühl und der Musikgeschmack meines Klientels sind genau mein Fachgebiet und meine berufliche Aufgabe. Dadurch meine ich schon etwas darüber zu wissen was die ab dem Jahr 2000 Geborenen so alles hören, selber spielen/singen wollen und womit sie ihr Lebensgefühl ausdrücken. Und dazu gehören in meinem bisherigen Arbeitsbereich weder Punk noch "Onkels" dazu, ob jetzt klassisch oder in MA-Form, zumindest in den drei Regionen (Sachsen und NRW), wo ich bisher gearbeitet habe.

      Aber hier kommt's. Es kann ja sein dass es Regionen gibt wo die Jugend immer noch voll auf Punk und "Onkels" abfährt, dann würde ich natürlich sehr gern wissen wo das ist. Ist ja durchaus möglich, und man soll diese Möglichkeit nicht von vornherein ausschließen. Hier, in meinem Arbeitsbereich, trifft das "Onkelz-Style kommt bei allen Generationen durchweg gut an" definitiv nicht zu.
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Ich wollte hier niemanden beleidigen oder angreifen - um Himmels Willen. Falls das nicht so rüber kam: Dickes Sorry!

      Mir fällt nur hin und wieder auf, dass immer wieder versucht wird, die Welt und die Menschen zu kategorisieren und ich denke einfach, dass das nicht funktioniert, weil die Welt einfach komplex ist.

      Ich bin in der brandenburgischen Provinz aufgewachsen und nahezu jeder Jugendliche dort hat sowas wie Onkelz oder eben auch Punk gehört (vereinzelt auch Hiphop oder ähnliches). Der Renner war eben auch Punk - halt eben alles, was unangepasst ist. Und wie meine Verwandten mir berichten, ist das auch heute noch so.

      Ich hab dann einige Zeit in der schwarzwälder Provinz gelebt und festgestellt, dass der Musikgeschmack dahingehend variiert, wie nahe die nächste Großstadt ist. Ist sie weiter weg, hört man Mainstreamkram, ist sie aber in der Nähe, hört man Metal oder Hiphop. Finde ich persönlich sehr spannend. In Großstädten gibt es Szeneclubs und die prägen dann auch die Jugend in der näheren Peripherie mit (so zumindest mein Eindruck). Ist jede Art von Szene weit entfernt, gibt es auch nichts, was dahingehend prägt.

      Hinzu kommt auch, dass du die Welt durch die Pädagogenbrille siehst (das meine ich nicht abwertend!). Keiner der Jugendlichen, mit denen ich zu tun hatte, hatte in irgendeiner Form mit Pädagogen zu tun. Sind die Kinder und Jugendlichen, mit denen du arbeitest, irgendwie "besonders" (im Sinne von schwer erziehbar o.ä.) oder bilden sie tatsächlich einen Querschnitt der Gesellschaft ab?
    • Vorab ich bin ganz neu in der Szene und habe keine Ahnung von Mittelaltermärkten aus der Sicht des Veranstalters und lasse nur meine Gedanken als noch sehr junger Mensch in die Disskusion fließen.

      Blooddigger schrieb:

      Ich finde es irgendwie immer kritisch, wenn man unterstellt, alle Menschen einer Generation würden gleich ticken. GenX tickt so, GenY tickt so, Baby Boomer ticken so etc., ganz so, als wären alle Menschen einer Generation gleich, hätten die gleichen Wertvorstellungen und dieselbe Haltung. Das ist ein Schubladendenken, das eigentlich niemandem weiterhilft und keinen konkreten Nutzen hat - zumal dann, wenn man es nur vom Geburtsjahr abhängig macht. Das ist doch irgendwie eine arge Vereinfachung der Welt. Aber vielleicht ist das so ein Ding der Pädagogen, die sich auf diese Art versuchen, die Welt zu erklären. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass die Welt deutlich komplexer ist und dass man mit einfachen Erklärungsmustern nicht weit kommt.

      Was du über MA-Bands sagst, ist ja genau das, was ich oben geschrieben habe. Viele MA-Bands versuchen auf Böhse Onkelz zu machen - freilich mit Dudelsäcken und Schalmeien. Und das kommt offenbar gut an, und zwar über alle Generationen hinweg. Ob man das als Folkmusiker gut findet, ist wieder eine andere Frage.
      Ich selbst würde von mir nicht behaupten, dass ich ein typischer Vertreter meiner Generation bin, aber bestimmt >75% (ganz unwissenschaftliche Schätzung) meiner Mitschüler sind vom Grundverhalten schon typische Vertreter. Ich hab bisher mit meinen wenigen Lebensjahren die Erfahrung gemacht, dass wenn man grobe, aber konkrete Lösungsvorgänge braucht, muss man sich die Welt vereinfachen. Wir haben einfach nicht das Denkvermögen und die Vorstellungskraft für jede Person eine angepasste "Werbung" zu machen. (So auch in den Naturwissenschaften, wir brauchen Modelle um uns komplexe Zusammenhänge verständlich zu machen)

      Wenn ich mir Beispielsweise meine Stufe ansehe, arbeiten (ich hab tatsächlich mal nachgezählt und ein bisschen rumgefragt) ca. 70% ausschließlich mit Internetquellen und vorallem mit Videos auch wenn es um tiefergehende Recherchen geht. Ich erinnere mich an die ersten Referate nach dem ersten Lockdown 2020, da gab es tatsächlich Leute die auschließlich YouTube als Quelle genutzt haben.

      Daher finde ich den Gedankengang von @George super.

      George schrieb:

      Daraus lassen sich Lösungsvorschläge ableiten.
      Wenn z.B. die Naturensöhne auf YouTube anfangen für ihr "Schlingelcamp" Tongeschirr nach der Art der Linienbandkeramik zu fertigen, dann werden sie damit Millionenpublikum erreichen und dieses Stückchen Wissen breiter streuen als jegliche Fachzeitschrift. Die sog. "Reactions" der Fachleute auf Serien & Filme in Bezug auf Authentizität und Fakten sammeln ebenfalls oft mehr Views als die Serie/Film selbst. HIER und HIER ein Paar Beispiele. Es ist auch kein Geheimnis dass die meisten jüngeren Menschen heute eben Social Media als ihre erste Anlaufstelle für Wissenserwerb sehen, und das sollte man sich zunutze machen, denn dadurch erreicht man nicht tausende, sondern potentiell dutzende oder gar hunderte Millionen Zuschauer weltweit. Als content creator im Social Media kann man 1). durch aktuelle Themen einen guten Bezug zur Gegenwart aufrechterhalten, 2). eine globale Reichweite entwickeln und 3). auf Wünsche und Vorschläge der Menschen direkt eingehen (Kommentarfunktion). Eine klare Abgrenzung zu einschlägigen Clickbait-Kanälen die nur Mythen verbreiten um Klicks zu erzeugen, ist selbstverständlich.


      Grüße, George
      (Ich benutze jetzt mal den Dudelsack als Vertreter für die Mittelaltermärkte etc)
      Als ich 2020 angefangen habe Dudelsack zu spielen, hab ich zwei Reaktionen bekommen, wenn ich es erzählt habe:
      Echt, krass, cool. voll selten, klingt nach einem interesannten Instrument
      oder
      Weiß ich nicht, ist schon ein schei* Instrument, es klingt nicht


      Die gleichen Reaktion bekomme ich auch in meiner Altersgruppe, wenn ich von Mittelaltermärkten erzähle.


      Bei 2. sind wir einfach bei Geschmack/Desinteresse, kann man nicht ändern.
      Beim 1. bleibt jedoch die Frage: Warum haben die Leute voher noch nicht vom Instrument gehört?


      Und daher finde ich, muss man eine Kombination aus Unterhaltung und Wissensvermittlung schaffen. Wenn man es schafft, dass meine Generation sich für das Zeitalter interessiert (siehe George) und die Videoersteller (eines einzelnen Kanal) eine ganze Reihe an Menschen aus der Szene sind, dann kommen die neu gewonnen "Fans" auch auf Mittelaltermärkte, wenn die von den gleichen Leuten angepriest wird oder wie man die neue Veranstaltungsform, in welcher die Wissensvermittlung und die soziale Interkation eine größere Rolle spielen.

      Ich finde, dass es hier auch schon ein recht fachliches Projekt gibt, das einfach nur zu wenig Beworben ist und auch ein bisschen überdimensioniert ist (meiner Meinung):
      campus-galli.de/
      Allerdings fehlt hier definitiv der Unterhaltungscharakter.
      Wenn man solche Projekte in Form einer YouTube Serie wie es zum Beispiel die Naturensöhne, Fritz Meinecke und wie sie sonst noch alle heißen begleiten würde, wäre meiner Meinung viel mehr Interesse da.
      (Ich weiß, es gibt eine Reihe vom SWR, aber jetzt mal ehrlich, wer guckt außer mir in meiner Generation ARD, SWR, WDR, NDR, usw, egal ob Mediathek oder Live im Fernsehn? Für einen Großteil gibt es nur noch Anbieter wie Netflix oder Disney+.)

      Das Projekt steht hier zum Beispiel im totalen Gegensatz zum Mittelaltermarkt (wo der Fokus nunmal häufig ausschließlich auf Unterhaltung liegt).

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von oleting ()

    • oleting schrieb:

      Das Projekt steht hier zum Beispiel im totalen Gegensatz zum Mittelaltermarkt (wo der Fokus nunmal häufig ausschließlich auf Unterhaltung liegt).
      Hier muss ich einfach anmerken, dass die Unterhaltungsorientierung der MA-Märkte an sich ja nicht mal das wirkliche Problem wäre, wenn es denn Unterhaltung gäbe im Sinne der jungen Menschen im Alter zwischen 15 und 30. Die Unterhaltung die es heute auf "Mittelaltermärkten" gibt, verläuft wie vor 30 Jahren immer noch nach dem Muster "Alkohol, Fast Food und Zirkus", dem Muster, welches vor allem die heute 40 bis 60 - Jährigen anspricht! ;(

      Als Gegenbeispiel möchte ich hier das "KlangRauschTreffen" von @mattis Vivien Zeller und @Merit Zloch anbringen!

      - keinerlei sichbare Orientierung in Richtung Alk und FastFood
      - die Menge an jungen Menschen unter den Besuchern ist sehr auffallend
      - das Thema der Veranstaltung ist ausschließlich hochwertige Musik
      - das Entstehen eines "Festbetriebes" nach dem Vorbild der feiernden Fußballfans wird durch die Hausordnung effektiv unterbunden

      ... und siehe da, es funktioniert und zieht junge Leute an! Hümmelchen- und "Französisch Halbgeschlossen" - Kurse gehen weg wie warme Semmeln. Also bietet die deutsche Folk-Szene hinter dem KlangRauschTreffen ihrem Klientel was an, was richtig gut ankommt, und zwar sowohl bei den jungen Generationen als auch beim "älteren Semester".

      Es ist nur meine persönliche Meinung und Eindruck, aber mir kommt es irgendwie vor dass nach 10-15 Jahren, wenn es auf den MA-Märkten so alles nach "bewährten Mustern" weitergeht, diese nach und nach zu dem werden was wir heute "Kaffeefahrten für Rentner" nennen. ;( ;(
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Nur um die Debatte "Studierte Wissenschaftler VS Mittelalter -Mythen" gehörig abzurunden...
      ... hier ist der Beitrag eines professionellen historischen Darstellers, welcher über den 2. Bildungsweg auch relevante formelle Bildung sein Eigen nennt!

      Leider ist es so, dass das Phänomen real ist, und er bringt es absolut knackig auf den Punkt. Heute "kann" jeder "Mittelalter", jeder, ungeachtet der Bildung kann absolut alles über das Mittelalter behaupten und es wird kritiklos übernommen, von Medien, Laien, und selbst von studierten Wissenschaftlern. Und das ist ein großes Problem, denn solcherlei Umstände wirken sich sehr negativ aus auf die Bildungsqualität unserer Gesennschaft. Und das geht wahrlich uns alle was an.

      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Kann mir bitte mal jemand sagen, ob der im Video zu Sehenede irgendein geistiges Problem hat, an Zappelphillipsyndormen leidet, der Zerstreuung anheim gefallen ist (obgleich er nicht sonderlich alt zu sein scheint) ?

      Wenn es hier die Möglichkeit gäbe, einen Beitrag "nicht zu mögen", würde ich das tun.

      Denn der Inhalt des Videos mag ja ansatzweise richtig sein, die Präsentation der Kritik ist aber so schlecht, entspricht so dem Bild des zerstreuten, für die Masse eben nicht brauchbaren Wissenschaftlers, dass es gerade das Gegenteil dessen produziert, was es will:

      Eine solch zerfahrene Präsentation von Gegenargumenten schreit gerade danach, zugunsten hübsch aufgemachter Filme wie dem, den sie kritisiert, ignoriert zu werden.

      Das Gegenteil dessen, was das Video will, befördert es.

      "Herzlichen Glückwunsch" ! :( <X
    • Ralph schrieb:

      Denn der Inhalt des Videos mag ja ansatzweise richtig sein, die Präsentation der Kritik ist aber so schlecht
      Und hier kommt der Knaller....
      Der gute Herr Pefeiffer-Perkuhn ist, außer den Leuten von Kaptorga, aber und nunmal der BESTE den wir in der deutschsprachigen Medienlandschaft haben! Bisher existiert kein einziger (populärwissenschaftlicher) Kanal auf ganz Social Media der/die es besser macht und die Probleme der Geschichtsvermittlung in den Massenmedie so direkt anspricht. Der gute Herr ist quasi außer Konkurrenz ;)
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Ähm...,

      ich bin kein Optimist...aber was willst Du, Schelmenkopf, uns damit sagen ?

      Der Mittelalterboom ist zu Ende, das Forum hier auch, da sinnlos, wie selber sind auch am Ende.

      Sollen wir daher unsere Sachen packen, ein Memento mori spielen und uns dann in Tradition der "Judäischen Volksfront - fliegendes Suizidkommando" kollektiv selbst umbringen. :huh:

      Sorry, hab das nicht vor - und einen Bezug zur ehemaligen DDR kann ich hier erst recht nicht erkennen.

      Trink nen Johanniskrauttee....über einige Wochen, das macht weniger depressiv....! :huepf:
    • Zum Ersten gibt es ja schon HIER einige Überlegungen, wie
      - Straßenmusik
      - gemeinsames sackpfeifen in der Natur bzw. Parks
      - "Küchenkonzerte"

      Was aber noch gar nicht bedacht wurde, ist das Schaffen gezielter Events wie wir sie von Highland Games und z.B. aus dem KlangRauschTreffen kennen. Jetzt mal frei fantasiert... Es könnte eine Veranstaltung geben mit dem Namen z.B. "SpielleuTreffen", wo alles mittelalternative, folkloristische und sogar die HAP-Szene zusammen findet, und wo es nach dem Vorbild der Solo-Competitions der Schottenszene und des Volksliedwettbewerbs (KlangRauschTreffen) Spielleut-Wettbewerbe gibt. Dazu ein entsprechendes Regelwerk welches E-Instrumente, Verstärker und MA-Pipe-Bands von Anfang an ausschließt, nur die akustischen Arrangements erlaubt die das Können der Musiker entsprechend zur Schau stellen, und welches auch wie beim KRT fußballähnliche Bierzelt-Stimmung effektiv unterbindet (welche leider die klassischen MA-Märkte bereits dominiert).

      Man kommt hin um zu sehen und gesehen werden, es gibt Austausch und natürlich auch Beiwerk in Form von Unterhaltung und Gastronomie wie wir das von Highland Games und KlangRauschTreffen kennen. Das wäre doch eine echte Alternative zum MA-Markt, der ja bis heute als die so ziemlich einzige (und mittlerweile recht fragwürdige) Marktsack-Plattform herhalten muss.
      Slow equals smooth and smooth equals fast

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    • Ein abschließendes Update!

      Ich war wieder als Marktbesucher und Walking Act (Solo-Marktsack) in diesjähriger Marktsaison unterwegs und habe klar und deutlich bedeutende Veränderungen in der Szene wahrgenommen. Zumindest kann ich für ein halbes Dutzend Märkte sprechen, die ich hautnah erlebt habe, sowohl als Besucher als auch Akteur. Es werden offensichtlich viel stärker Bands auf Märkten engagiert, die 1). ein vielseitigeres Instrumentarium haben, 2). der Fokus geht weg von Sackpfeifen hin zum generellen "Folk", und 3). die Spielprogramme der MA-Bands, die (nach der Pandemie) noch da sind, tendieren jetzt mehr zu Solo-Einlagen und insgesamt hochwertigerer Darbietung. Es scheint so als wären die Veranstalter jetzt deutlich wählerischer wen sie da einladen und sind für Solo-Musiker viel offener. Halbes Dutzend Märkte und nur maximal zwei Marktsacker, die zusammen gespielt haben, keine drei oder vier wie es einmal "Standard" war ... :thumbsup: Und - vor allem! - ich hab jetzt den deutlichen Eindruck dass sich die MA-Musiker immer weiter in Richtung FOLK bewegen, musikalisch und vom Repertoire her, quasi dorthin wo heute Schäferpfeife & Co. bereits ihre Nische gefunden haben!

      Ich muss es jetzt einfach mal so sagen...

      Der Mittelalter-Punk-Rock, so wie er seinerzeit von Corvus Corax als Protest und alternativer Lifestyle geprägt wurde, ist Vergangenheit! Die MA-Szene, so wie ich die Sache sehe, ist gerade dabei nach 30 Jahren separater Existenz in der Folk-Szene aufzugehen! Und ich bin auch sehr optimistisch dass der Marktsack ebenfalls den Sprung in die Folkszene schaffen wird. Denn wie Benjamin Korb es so treffend formulierte...

      https://www.korb-dudelsackbau.de/marktsack.html schrieb:

      War es zu Beginn der Marktsackszene einzig die Lautstärke, die den Marktsack ausmachte, so hat man heute andere Ansprüche an sein Instrument.

      MA-Punk-Rock als eine musikalische Erscheinung inmitten des Überganges zwischen Moderne und Postmoderne hatte ihre Zeit, eine schöne Zeit, aber jetzt ist sie Geschichte.


      Auf die Zukunft!


      George
      Slow equals smooth and smooth equals fast

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    • Ende Juni habe ich in einer größeren, zusammengeschusterten Gruppe auf dem Ritterfest in Bad Schwanberg (Steiermark) gespielt.

      Dieses Ritterfest war Überschaubar klein. Wenige Stände, ein paar Atracktionen und wir als einzige Musiker.
      Das gespielte Repertoire war, sehr bunt und kaum Mittelalterlich. Prinzipiell ist das wohl eh egal. Zumindest war es abwechslungsreich.
      Es gab ein paar Gutscheine, diese Einzulösen war mir aber unmöglich. Als ich dann Zeit hatte, hatten die Gasthäuser alle schon geschlossen.

      Also keine Empfehlung meinerseits.


      Ende Juli, also letztes Wochenende, haben wir als Ensemble "Fée l’amp lac" (Fehl am Platz) beim Mittelalter Festival in Friesach (Kärnten) gespielt. Leider wurde ein Mitglied krank und konnte nicht Teilnehmen.
      Daher hatten wir einen gewissen Stressfaktor, den wir aber recht gut ausgeglichen haben indem wir diverse Stücke spontan umgebaut haben.
      Das Mittelalter Festival war mit 13000 Besuchern, wohl extrem gut Besucht. Die gesamte Altstadt, innerhalb der Stadtmauern war Festival Gelände, inkl. der Burg am Hügel.
      Dieses Mittelalter Festival war bombastisch gut vorbereitet/ausgeführt. Es gibt das Lager, wo sehr strenge Regeln gelten und es gibt den Rest, wo die Regeln wohl nicht so streng sind.

      Als neues Ensemble haben wir nur auf der Straße an einem Ort gespielt, also keine Bühnen. Erbarmungslos hat uns die Sonne zugesetzt bis wir etwas Schatten hatten. Leider kein Schatten für das Publikum, was das stehenbleiben und länger verweilen wohl nicht gefördert hat.

      Krummhörner, Flöten, Dudelsäcke, Drehleier, Schalmei, Trommeln und Brummtopf waren unser Werkzeug. Die leiseren Instrumente wie die Krummhörner haben nicht gezogen. Die lauteren Instrumente aber sehr wohl.
      Vermutlich haben wir es uns insgesamt selbst schwerer gemacht, indem wir so viele Instrumentenwechsel bzw. Instrumente zum Einsatz gebracht haben. Auf den Bühnen hat auch nur jeder eines gespielt.

      Unser repertoire war von Mittelalter bis Frühbarock. Also um ein vielfaches Authentischer als die Bühnen Programme der "großen" Bands. Da konnte ich nur 2 mal lauschen und es war einfach schrecklich. Einmal, schlechter Pseudo Mittelalter Rock wo jedes Stück gleich wie das andere klang und einmal Pseudo Mittelalter Sauf Schlager. Könnte aus dem Radiosender kommen, welchen meine Eltern ständig hören.
      Aber ja... für das Trinkfreudige Publikum ist das natürlich Ideal. Aber Authentisch kein bisschen.


      Es gab auch ein "Treffen der Spielmansleut" wo nochmal alle Gruppen präsentiert wurden und gemeinesam gespielt wurde.
      Natürlich wurde da in A Moll gespielt (warum wohl? :D)... weils die lautesten Instrumente sind.... Zwar konnte ich mit meiner Schäferpfeife alles mitspielen (ohne Bordune), aber.. war ja zu erwarten und die Stücke sind eh jene.. die man Ständig auf Youtube von solchen Pseudo Mittelalter Bands hört...


      Wäre schön, wenn auch authentischere Gruppen auf den Bühnen eine Chance haben. Die finden bei so etwas aber wohl kaum Publikum auf so einem Mittelalter Festival.
      PDH - Preiset das Hümmelchen
      You know, Internet is a dangerous thing with all that sheet music out there...
    • @subi
      Ich glaube an der Stelle sollten wir die Living History - Szene als Vorbild nehmen.
      Waren die LH-Leute noch in den 2000ern auch bei "Marktmittelalter" unterwegs, hat sich bis heute eine klare Trennung des LH und MA vollzogen, und zwar so gründlich, dass das alte Klischee von LH als "A Papst - Brutstätte" sich nun fast komplett erledigt hat. Jeder hat seine eigene Szene und Veranstaltungen und keiner regt sich über die Anderen auf. Es gibt auch erstaunlich oft hochkarätige LH Akteure, die parallel auch LARP, Cosplay oder eben MA betreiben.

      Es ist leichter, schneller und effektiver eigene Veranstaltungen zu organisieren wo entsprechende Musiker die ganze Bühne für sich bekommen, anstatt endlosem Hin und Her innerhalb der MA-Marktszene. Zum Beispiel Mini-Märkte mit LH-Beteiligung und entsprechend authentischer Beschallung würden sich auch kommerziell durchaus rechnen, auch ohne Bierzelt und Piraten.
      Slow equals smooth and smooth equals fast
    • Vielleicht ein Paar Worte für die mitlesenden Veranstalter der MA-Märkte...

      Ich habe zwar bisher nur kleine MA-Aktionen innerhalb meines pädagogischen Arbeitsbereiches organisiert, doch gehe ich immer noch oft auf Märkte und schaue was da so alles geht, und ja, es fällt mir Einiges auf.
      Ich würde meinen, das gute alte "Bier, Met und rauhe grölende Gestalten" - Schema geht so langsam einfach nicht mehr auf. Wir haben alle die Bierpreise auf dem Münchner Oktoberfest 2024 gesehen, aber auch anderswo, bei lokalen Volksfesten sind die absolut vergleichbar. Auf MA-Märkten die ich seit 2021 besucht habe, tut sich in Bezug auf Becher Met und Maß Bier unter 7€ fast gar nichts mehr. Selbst Klassiker wie die Chamignon-Pfanne lagen nie unter 6€. Dazu kommt der Eintritt, selbst als Gewandeter musste ich im Schnitt 8€ zahlen. Die Gen X'er die in den Nullerjahren zwischen 20 und 40 waren und ihre MA-Märkte auch so wollten, sind heute, 20 Jahre später, entsprechend zwischen 40 und 60 Jahre alt, trinken ihr Bier nun lieber auf den Wiesn oder in der Stammkneipe und haben ihre Punk-Zeit längst hinter sich gelassen. Wenn sie MA-Märkte besuchen, dann aber meist mit Familie und Kids.

      Die klassischen Kirmes mit Karussell, Riesenrad und Süßigkeiten boomen aber was das Zeug hält! Warum? Weil sie weniger auf klassische Bierzelt & Essbuden und die 35+ Demografie setzen, sondern mehr auf Familien, Kinder und Jugendliche. Ich war kürzlich beruflich auf so einer Kirmes unterwegs, buntes Spiel und Spaß überall, Massen an Familien und selbst die Gastronomie war sehr familienorientiert was das Menü und Sitzmöglichkeiten anging. Was wollen denn Kids & Jugendliche auf MA? Für grölende MA-Punk-Gestalten die noch da sind und "für mittelalterliche Atmosphäre sorgen", hat die Mehrheit von Gen Z und Gen Alpha kaum was übrig und viele Jugendliche empfinden es, so meine Beobachtung, eher als belästigend oder nehmen es direkt als Aggression wahr.

      Wenn ich Veranstalter wäre, würde ich meinen Markt so familien- und kinderfreundlich gestalten wie möglich. Süßigkeiten. Thematisch passende Hüpfburg. Karussell. Ganz viel Handwerk-Demonstration, wo selbst die Kleinen was basteln und nach Hause nehmen können. Familienfreundliche Sitzmöglichkeiten. LARP. Fantasy. Cosplay. Und in einem abgegrenzten Bereich würden bei mir Living History Darsteller lagern, die dem geneigten Publikum hochwertige historische Darstellungen präsentieren würden. Und - ganz wichtig - auch bei der Live-Musik würde ich mich stark an den Szenen orientieren, die eben in diesem Forum hier präsent sind. Kein MA-Punk. Taravas und Subi statt Kirmes-Gedonner. Drehleier, Nyckelharpa, Fiedel.

      Jede(r) kriegt was er/sie möchte, und das Ganze würde auch anständig Gewinn abwerfen.


      Meine persönliche Sicht der Dinge.

      George
      Slow equals smooth and smooth equals fast

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von George ()

    • Hi Georg,

      danke für die Erwähnung! :)

      Ich sehe es ähnlich wie du. Die Märkte haben sich zu Veranstaltungen für die ganze Familie entwickelt. Was die Musik betrifft, trifft man mittlerweile vermehrt auf Fantasy und volksmusikähnliche Gruppen. Oftmals mit Gitarren, Akkorden, Cajon etc. Oftmals auch mit PA. Truppen mit Sackpfeifen und Trommeln sind noch vertreten, aber sie sind nicht mehr omnipräsent. Und Gruppen die auf wirklich historischen Instrumenten dazugehöriges Liedgut spielen kann man an einer Hand abzählen.