Heimische Sträucher - eine Alternative zu Tropenholz?

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    • Heimische Sträucher - eine Alternative zu Tropenholz?

      Zuerst sollen die Holzarten um die es dabei geht, genannt werden:

      Wild:

      - Schlehe/Schwarzdorn
      - Weißdorn
      - Holunder
      - Blutroter Hartriegel
      - Gelber Hartriegel/Kornelkirsche
      - Gemeiner Spindelstrauch/Pfaffenhütchen

      - Robinie/Falsche Akazie/Silberregen (?)
      - Hainbuche

      - Gemeiner Liguster (breitet sich zumindest bei uns im Süden immer stärker aus)

      Domestiziert:

      - Goldregen
      - Gemeiner Flieder
      - Gemeine (Garten-)Eibe
      - Buchsbaum
      - Lorbeerkirsche

      Nun zum eigentlichen Gedankengang:

      Während in früheren Jahrhunderten für unsere Instrumente als Holz genommen wurde, was gerade zu Verfügung stand - auch unter dem Aspekt das aufgrund der intensiven Waldwirtschaft eine intensivere Nutzung der heimischen Sträucher
      stattfand - z.B. als Flechtmaterial für Körbe - sind die Bestände und verfügbaren gewachsen und ein großer Teil der oben genannten Holzarten ist wirtschaftlich in Vergessenheit geraten.

      Da sich der Standort dieser Arten meist auf den Waldrand beschränkt und auch durch die Querschnitte von maximal 15cm noch gut transportabel sind, so dürfte es auch ohne schweres Gerät für den Kleinunternehmer oder Privatmann möglich sein, diese Hölzer zu bewirtschaften - sofern im Rahmen des Rechtlichen legal (Holzsammelschein?) und keine Besitzrechte (der deutsche Wald ist im Besitz von Gemeinden und Privatpersonen, es drohen saftige Geldstrafen bei illegalen Fällungen! Vom faktischen Diebstahl abgesehen, liegen auch Verstöße gegen den Naturschutz vor) verletzt werden.

      Zudem variiert der Artenschutz in den jeweiligen Bundesländern, während der Blutrote Hartriegel im Süden an jeder Ecke wächst, ist es meines Wissens in NRW und/oder Niedersachsen auf der Roten Liste.


      Durch diese heimischen Hölzer könnte unter anderem die Entlastung der stark strapazierten Bestände insbesondere der Palisanderarten erreicht werden.

      Neben dem Preisvorteil, spielt auch die Anpassung an die hiesigen klimatischen Bedingungen des Holzes eine Rolle, zudem ist eine nachhaltige Forstwirtschaft auch möglich - ich ziehe z.B. derzeit Kornelkirschen auf meinem Balkon groß:




      Für die meisten Sackpfeifentypen dürften die zu erwartenden Querschnitte ausreichen - bei mir liegen zumindest größere Mengen von Blutrotem Hartriegel und Feldahorn im Keller (bis 8cm Querschnitt rund, größere Querschnitte gespalten)- aus dem Garten(!).

      Hauptproblem ist meines Erachtens, wenn ich mir z.B. Pfaffenhütchen und Weissdorn vor meiner Haustüre ansehe, der Drehwuchs - Flieder ist noch schlimmer, was ich gesehen habe als letzten Sommer der alte Flieder vor unserem Betrieb umgestürzt ist und ich versucht habe, noch etwas Verwertbares zwischen dem teils morschen Holz zu finden.

      Wenn die Farben nicht intensiv genug sind, gibt es immer noch die Möglichkeit des Veredelns durch z.B. Räuchern oder Dämpfen.

      Grundsätzlich halte ich es für überlegenswert, da sich der Bedarf für den heimischen Holzblasinstrumentenbau meiner Meinung nach im ökologisch vertretbaren Rahmen bewegen dürfte.

      Ein weiterer Aspekt ist meiner Meinung nach auch, wieder einen stärkeren Bezug zur heimischen Natur und deren Wert zu finden - für mich kommt ein Spaziergang durch die Felder oder den Wald, mittlerweile
      dem durch eine Schatzkammer gleich.
    • Unabhängig zu den Sträuchern wollte ich mal die Frage in den Raum werfen, inwieweit andere heimische Holzarten in Betracht kommen, die normalerweise nicht im Musikinstrumentenbau
      verwendet werden, beispielweise Ulme/Rüster, Birke, Robinie oder Esche.

      Esche wird teilweise für Torupilli verwendet, Robinie auch für Gaidas (auch wenn eher selten), gewöhnliche Birke hat in Sachen Dichte und Brinellhärte vergleichbare Eigenschaften wie Ahornholz
      und hat auch geölt und gewachst eine sehr schöne Haptik. Ulme/Rüster ist neben dem optischen Aspekt durchaus mit Esche und Robinie verlgeichbar.

      Hat jemand diesbezüglich bereits Erfahrunge gesammelt, wie gut sind die Hölzer zu bohren und zu drechseln?

      Wie sieht eine geeignete Oberflächenbehandlung aus?

      Im Sinne steigender Rohstoffpreise und den momentan vermehrt auftretenden Probleme bei der Verfügbarkeit von Rohstoffen sowie im Bezug auf Nachhaltigkeit halte ich es für sinnvoll sich damit eingehender zu beschäftigen.
    • Hallo!

      In der Regel verwende ich die eher traditionellen Obsthölzer wie Zwetschke, Birne, Apfel, Kirsche für meine Instrumente. Die bekomme ich auch meist aus Gärten oder direkt von Bauern die ein paar Bäume umsägen müssen und lasse mir das Holz dann in einer mobilen Blochbandsäge aussägen. Ahorn nehme ich auch gerne, je nach Verfügbarkeit.

      In meiner Nähe habe ich mehrere Tischler die hauptsächlich Vollholz verarbeiten, auch dort bekomme ich bei Bedarf mal bereits trockenes Holz in Bohlenform. Ebenso gibt es nicht all zu weit entfernt ein Kleines Sägewerk die eben auch Holz für oben genannte Tischler produzieren.

      Ich habe aber auch schon Weißbuche verwendet, ist ein sehr dichtes Holz und lässt sich sehr gut bohren und drechseln.
      Kastanie ist auch toll, ebenso Akazie. Selten nehme ich Nussbaum

      Esche ist mir persönlich zu grobporig, das würde ich vielleicht für Säckpipa verwenden aber nicht für Hümmelchen oder Schäferpfeife.

      lg
      Thomas
    • Das mit Weißbuche/Hainbuche kann ich bestätigen, "Hornbeam" wird teilweise auch für Scottish Smallpipes verwendet.

      Robinie/Akazie leuchtet außerdem grün unter UV-Licht, "Black Locust" wird teilweise auch für Dudelsäcke verwendet.
      "Honey Locust", also Gleditschie oder Christusdorn hat ein vergleichbare Maserung, tendiert ins rötlich-gelbe.
      Beide gehören zur Familie der Schmetterlingsblüter, also sind eng verwandt mit dem Goldregen, englisch "Laburnum".
      Ich erwähne nur die englischen Handelsnamen, weil manche Holzarten unter 3-4 verschiedenen Namen gehandelt werden.

      Europäischen Nussbaum lässt detaillierte Drechselarbeiten aufgrund der Härte zu ist aber schwerer zu bohren, amerikanischer Nussbaum ist leichter zu bohren und ein hevorragendes Holz zum Schnitzen,
      ist aber im Gegensatz weicher und die Struktur gröber und "brüchiger".

      Wie lange braucht deine Erfahrung nach Olivenholz nach dem Vorbohren bis man es weiterverarbeiten kann? Das Problem ist ja, das Olive wenn nicht kammergetrocknet, im Kern auch noch nach Jahren
      richtig nass sein kann und die Gefahr des Reißens kommt ja auch noch dazu.

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      07.10.23:

      Der mittlerweile abgelagerte Blutrote Hartriegel wurde in den ersten Schritten bearbeitet.

      - Das Holz lässt sich sehr gut Hobeln und Sägen
      - Es schwimmt im Wasser, hat also eine Dichte kleiner als 1,0 ( ich schätze irgendwo zwischen 0,8-0,9 und damit vergleichbar mit Zwetschge oder leicht darüber)
      - angenehmes Drechselholz, von Widerstand/Kraftaufwand in etwa mit Hainbuche vergleichbar von der Messerführung unkompliziert wie z.B. Ahorn oder Birne
      - Werkzeuge sollten aufgrund der Härte sehr scharf oder HM-bestückt sein, das Holz neigt ansonsten zum Ausfasern
      - Aufgrund der Härte ist insbesondere beim Bohren und Sägen mit einer entsprechenden Hitzeentwicklung zu rechnen, eine regelmäßige Kühlung ist erforderlich
      (z.B. WD40)
      - Jahresringbreite nimmt zu Mitte hin zu. Während unterhalb der Rinde die Ringbreite unter 0,5mm betragen kann, nimmt sie zum Zentrum bis auf ca. 3mm zu.
      Neigt deshalb und aufgrund Drehwuchses währen der Trockung zum Verzug und zur Rissbildung. Die Trocknung sollte mit versiegelten Enden und Rinden bis zur
      Verarbeitungsfertigkeit erfolgen.
      - Das Holz lässt sich schlecht spalten, was aufgrund der geringen Durchmesser bis selten max. 15cm, häufig nur 6-7cm, ohnehin nicht ratsam ist. Außerdem verfügt das
      Holz des Blutroten Hartriegels immer über Markröhre, die im Normalfall unabhängig von der Größe des Strauches einen Durchmesser von ca. 2mm hat.
      - Die Farbe ist vergleichbar mit Hainbuche ein helles Weiß, was aber bei älteren Sträuchern blasses Rot wechselt. Ansonsten sind Variationen im Farbton möglich,
      wo sich unter das Weiß ein helles Braun mischt, sowie Grau-Grün. An einer Verwachsung hat sich z.B. hat sich aber auch eine bläulich-violette Färbung gezeigt.
      - Geölt sollte die Farbe in etwa zwischen geölte Hainbuche und unbehandelter Buche liegen. Aufgrund des vermutlich hohen Gerbstoffgehaltes sollte das Räuchern
      des Holzes empfehelenswert sein, zur Intensivierung der Farbe.
      - Das Holzbild ansich ist sehr homogen, seidig glänzend bei glatten Flächen ohne erkennbare Poren mit sehr feinen Spiegeln.
      - Vom Wuchs her lassen sich gut 50-60cm astfreie Stücke und oft sehr gerade Abschnitte gewinnen.
      - Verleimen funktioniert ebenfalls problemslos, wenn man größere Rohlinge benötigt, als die Pflanze eigentlich hergibt.


      24.11.23:

      Weitere Ergänzungen

      Weissdorn:

      Farbe ist weiß mit leichtem Orangestich (etwa die Farbe von Pfirsichjoghurt), Maserung und das ganze Materialverhalten bis zum Geruch sind nahezu identisch mit Birnbaum Elsbeere.
      In Anbetracht dessen lohnt sich der Beschaffungsaufwand eigentlich nicht.


      Pfaffenhütchen/Spindelstrauch:

      Farbe ist elfenbeinweiß, jenachdem mit Übergängen ins Hellgelbe teilweise mit Pink. Der Widerstand beim Drechseln ist gering, es sollten scharfe Werkzeuge verwendet werde da dass Holz zum Ausfasern neigt.
      Die Breite der Jahresringe ist mit Buchsbaum vergleichbar.

      Flieder:

      Zweierlei Farbgebungen vorhanden - einmal helles rotbraun mit purpurnen Einschlüssen oder aber gräulich-lila (sprich fliederfarben) mit ebenfalls purpurnen Einschlüssen. Trotz breiter Jahresringe (ca.4mm)
      sehr hart und schwer. Typischer blumiger Geruch beim Drechseln und großer Arbeitswiderstand. Neigt auch zu Tiefenrissen, die an der Oberfläche des Kantels nicht sichtbar sind.


      Schlehe:

      Befindet sich noch in der Trocknung, hat aber eine sehr starke Neigung zum Reissen. Jahresringe stehen sehr viel enger als bei gewöhnlicher Zwetschge und der Kern ist trotz purpurner Einschlüsse
      deutlich dunkler im Vergleich und eher schwarz/braun anstatt rot. Charakteristisch ist der schwarz-blaue Ring zwischen Kern und Splint. Zumindest beim Sägen hat sich ein ziemlicher Widerstand bemerkbar gemacht. Schlehe ist anfällig für Insektenbefall.

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      Von den Erfahrungen mit den genannten Hölzern kommt die Schlehe/Schwarzdorn am ehesten in Betracht, da sie am häufigsten mit verwertbaren Querschnitten von 10-15cm anzutreffen ist.
      Alle von mir bisher aufgezählten Sträucher haben einen Drehwuchs, entsprechend hoch ist der Ausschuss/Verschnitt aufgrund von Rissen und Verzug. Durchmesser oberhalb der 55mm sind relativ selten,
      es sind also maximal Bordunstöcke für Borderpipes/Pastoral Pipes machbar, Schäferpfeifen im flemischen Stil (Gaitas oder Vergleichbare Instrumente haben zu große Durchmesser für die Resonanzkammern)
      und hauptsächlich Northumbrian Smallpipes und Hümmelchen. Für die tendenziell massivere Bauweise bei Sackpfeifen mit Einfachrohrblatt kommen sie nicht infrage, da der Beschaffungsaufwand zu hoch sein dürfte.


      Mein Fazit lautet daher, dass es von der Materialverfügbarkeit schon einmal keine Alternative darstellt, da mit Ausnahme des Blutroten Hartriegels ( Häufigkeit hängt von der Region ab) die Anzahl der
      anderen Sträucher eher gering ausfällt und die Zahl der verwertbaren Stück ist noch geringer ist - zusätzlich der kaum vermeidbare Verschnitt. Hinzu kommt die gesetzliche Schwierigkeit (theoretisch zählt
      das Mitnehmen von altem Laub aus dem Wald bereits als Diebstahl und auf Sondergenehmigungen wie Holzsammelschein, würde ich bei der Starre des deutschen Behördensystems nicht hoffen).

      Wer also nicht direkt an eine entsprechend ausreichende Menge Holz kommt, dem würde ich davon abraten. Die Herstellung einzelner Instrumente ist zwar möglich, aber in Serie setzt die Natur die Grenzen.

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      Wer sich mit dem Thema weiter beschäftigen möchte, kann sich folgendes Buch mal anschauen:


      holzverwendung.boku.ac.at/dokumente/WerkHolz_Bestellinfo.pdf

      forstbuch.de/wp-content/upload…bnerWerkholzLeseprobe.pdf

      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von Schelmenkopf ()

    • Hallo Schelmenkopf
      Ich bin etwas spät dran, jetzt nach zwei Jahren, will aber trotzdem meinen Senf dazu geben. Es ist ja auch von allgemeinem Interesse hier. Alle von dir genennten Hölzer sind brauchbar, wenn sie in der entsprechenden Stärke gefunden werden können. Ausser beim Buchsbaum muss Splint und besonders der Kern entfernt werden um Radialrissen vorzubeugen und die Hölzer sollen möglichst wenig Seitenäste besitzen. Einen Schwarzdorn z.B. habe ich in Brettern bei mir liegen aber das ist der erste in den letzten 30 Jahren, welcher mir über den Weg gelaufen ist und vermutlich auch der letzte. Auch der sehr harte Weissdorn oder Flieder sind in entsprechender Dimension nicht leicht zu finden aber es ist möglich. Kornelkirsche wird immer wieder bei bulgarischen Gaidas verwendet und ist in Mitteleuropa in entsprechender Stärke auffindbar, wenn auch eher selten. Der giftige Goldregen ist in deiner Liste der grösste Schatz: Hart und wunderschön! Mögliche Quellen für das Auffinden deiner Gehölze: Die Kippstellen für Grünschnitt von Gartenbauunternehmen bei Grosskompostierern und Hackholzfirmen, welche Pellets oder Brennholzschnitzel herstellen.
      Lieben Gruss,

      Peter