Liebe Grüße an die Sackpfeifer-Gemeinde!
Gleich mal vorne weg; dies soll ein Diskussionsthread sein wo jeder seinen Senf zu der Quellenlage geben kann. Ich erhebe in keinster Weise den Anspruch einer "seriösen Forschungsarbeit" die "beweist" dass die Sackpfeifen im Mittelater "diese oder jene Griffweise oder Stimmung hatten!" Es handelt sich hier um ein Paar ikonografische Gegebenheiten, welche ich einfach hochinteressant finde und die vielleicht dem gebildeten Musikwissenschaftler tatsächlich ein Paar Hinweise liefern könnten.
Die wohl früheste mir bekannte, mehr oder weniger deutlich gezeichnete und sicher datierte Abbildung einer Sackpfeife mit einem Bordun und breiten Schalltrichtern:
Royal MS 14 E III folio 140r (zw. 1315 und 1325)
Die Fingerpositionen entsprechen dem, was ich "Tentakelfinger" nenne, aber das Verhältnis zwischen Spielpfgeifenlänge und Bordun ist dennoch ganz gut erkennbar.
Nur ein Paar Jahrzehnte später...
Ms nouv acq lat 3145, Bibliotheque Nationale Paris (zw. 1336 und 1340)
Jetzt sehen wir dass der Sackpfeifer auffällig den rechten Mittelfinger an der Sackpfeife anhebt. Kann das nur ein künstlerisch freier Zufall sein?
Italien, ein Altarbild Jacopo Di Cione zugeschrieben wird.
Coronation of the Virgin with Adoring Saints att. to Jacopo Di Cione (ca. 1370)
Diese Abbildung ist für diese Epoche äußerst detailreich und sorgfältig angefertigt worden, und die Fingerpositionen treten deutlich hervor. Und wieder hebt man hier den rechten Mittelfinger und die untere Hand erscheint als absolviere man einen gewissen Gabelgriff.
Und wieder ein Paar Jahre später...
Petites Heures of Jean de France Duc de Berry (zw. 1375 und 1390)
Wieder der rechte Mittelfinger oben und unten schaut es wieder wie ein gewisser Gabelgriff aus.
... nun kann man ja sagen, das ist alles schön und gut, wir haben trotzdem keinerlei Garantie dass all diese Künstler nicht einfach ihre Fantasie spielen ließen! Gibt es denn keine Abbildung dass wenigstens teilweise als eine Art Referenz diesen könnten? Nun, ich glaube ich hab eine.
Zanobi Machiavelli's Coronation of the Virgin_Museum Dijon (ca. 1473)
Und hier haben wir gar drei Instrumente die mit ziemlicher Genauigkeit dargestellt wurden; eine Einhandflöte, eine Zweihandflöte und eine Sackpfeife. Da wir aus Renaissance musikwissenschaftliche Quellen haben die uns erzählen wie die Flöten damals gestimmt und gegriffen wurden, ist der Griff dieser Zweihandflöte absolut realistisch, sowie jener der Einhandflöte. Die anderen Instumente mal ausgeblendet, da die Bedienung dieser sehr viel komplexer ist und nur schwer darstellbar, im Gegensatz zu den Fingern auf den Flöten. Nun, der Sackpfefer-Engel oben links greift seine Pfeife in einer Art und Weise die jener auf dem Jacopo Di Cione - Altar äußerst ähnlich ist! Ließe sich der Autor des 1473 - Bildnisses von seiner Fantasie leiten, würde er ja auf allen Flöten und Sackpfeifen entweder irgendwelche Fantasiegriffe abbilden, oder ein- und denselben Griff auf allen Holzblasinstrumenten. Da er aber die Finger auf den Flöten durchaus relaistisch darstellt, kann man ja davon ausgehen dass er bei der Sackpfeife auch ähnlich realistisch liegt. Auch sieht man deutlich das untere Doppelloch auf der Spielpfeife, welches jenem der Rostocker Spielpfeife und der Wiener Schäferpfeife entspricht.
Die Fragen, die sich da auftun...
Wenn man die "Griffe" von Di Cione und Machiavelli nimmt, können diese uns sagen bzw. Hinweise geben wie diese Sackpfeifen gestimmt waren, authentisch oder plagal? Bei modernen auf den "Sechsfingerton" gestimmten Sackpfeifen würden diese eher der Quinte entsprechen.
"Halbgeschlossen?" Selbst Marktsackpfeifen benutzen heute durchaus halbgeschlossene Griffe, z.B. für das f'', gis'' oder es'', und traditionell/historische Instrumtente wie die galicische Gaita scheinen in ihrer Griffweisen auch weniger auf solche Unterscheidungen angewiesen zu sein.
Kann man denn aus der Länge der Spielpfeife bzw. dem Längenverhältnis von Spielpfeife und Bordun was Vernünftiges ableiten?
Ich finde solche ikonografische Quellen-Fundstücke absolut faszinierend und bin immer gespannt was so mancher Musikwissenschaftler daraus sozusagen "destillieren" kann
Gregorius
Gleich mal vorne weg; dies soll ein Diskussionsthread sein wo jeder seinen Senf zu der Quellenlage geben kann. Ich erhebe in keinster Weise den Anspruch einer "seriösen Forschungsarbeit" die "beweist" dass die Sackpfeifen im Mittelater "diese oder jene Griffweise oder Stimmung hatten!" Es handelt sich hier um ein Paar ikonografische Gegebenheiten, welche ich einfach hochinteressant finde und die vielleicht dem gebildeten Musikwissenschaftler tatsächlich ein Paar Hinweise liefern könnten.
Die wohl früheste mir bekannte, mehr oder weniger deutlich gezeichnete und sicher datierte Abbildung einer Sackpfeife mit einem Bordun und breiten Schalltrichtern:
Royal MS 14 E III folio 140r (zw. 1315 und 1325)
Die Fingerpositionen entsprechen dem, was ich "Tentakelfinger" nenne, aber das Verhältnis zwischen Spielpfgeifenlänge und Bordun ist dennoch ganz gut erkennbar.
Nur ein Paar Jahrzehnte später...
Ms nouv acq lat 3145, Bibliotheque Nationale Paris (zw. 1336 und 1340)
Jetzt sehen wir dass der Sackpfeifer auffällig den rechten Mittelfinger an der Sackpfeife anhebt. Kann das nur ein künstlerisch freier Zufall sein?
Italien, ein Altarbild Jacopo Di Cione zugeschrieben wird.
Coronation of the Virgin with Adoring Saints att. to Jacopo Di Cione (ca. 1370)
Diese Abbildung ist für diese Epoche äußerst detailreich und sorgfältig angefertigt worden, und die Fingerpositionen treten deutlich hervor. Und wieder hebt man hier den rechten Mittelfinger und die untere Hand erscheint als absolviere man einen gewissen Gabelgriff.
Und wieder ein Paar Jahre später...
Petites Heures of Jean de France Duc de Berry (zw. 1375 und 1390)
Wieder der rechte Mittelfinger oben und unten schaut es wieder wie ein gewisser Gabelgriff aus.
... nun kann man ja sagen, das ist alles schön und gut, wir haben trotzdem keinerlei Garantie dass all diese Künstler nicht einfach ihre Fantasie spielen ließen! Gibt es denn keine Abbildung dass wenigstens teilweise als eine Art Referenz diesen könnten? Nun, ich glaube ich hab eine.
Zanobi Machiavelli's Coronation of the Virgin_Museum Dijon (ca. 1473)
Und hier haben wir gar drei Instrumente die mit ziemlicher Genauigkeit dargestellt wurden; eine Einhandflöte, eine Zweihandflöte und eine Sackpfeife. Da wir aus Renaissance musikwissenschaftliche Quellen haben die uns erzählen wie die Flöten damals gestimmt und gegriffen wurden, ist der Griff dieser Zweihandflöte absolut realistisch, sowie jener der Einhandflöte. Die anderen Instumente mal ausgeblendet, da die Bedienung dieser sehr viel komplexer ist und nur schwer darstellbar, im Gegensatz zu den Fingern auf den Flöten. Nun, der Sackpfefer-Engel oben links greift seine Pfeife in einer Art und Weise die jener auf dem Jacopo Di Cione - Altar äußerst ähnlich ist! Ließe sich der Autor des 1473 - Bildnisses von seiner Fantasie leiten, würde er ja auf allen Flöten und Sackpfeifen entweder irgendwelche Fantasiegriffe abbilden, oder ein- und denselben Griff auf allen Holzblasinstrumenten. Da er aber die Finger auf den Flöten durchaus relaistisch darstellt, kann man ja davon ausgehen dass er bei der Sackpfeife auch ähnlich realistisch liegt. Auch sieht man deutlich das untere Doppelloch auf der Spielpfeife, welches jenem der Rostocker Spielpfeife und der Wiener Schäferpfeife entspricht.
Die Fragen, die sich da auftun...
Wenn man die "Griffe" von Di Cione und Machiavelli nimmt, können diese uns sagen bzw. Hinweise geben wie diese Sackpfeifen gestimmt waren, authentisch oder plagal? Bei modernen auf den "Sechsfingerton" gestimmten Sackpfeifen würden diese eher der Quinte entsprechen.
"Halbgeschlossen?" Selbst Marktsackpfeifen benutzen heute durchaus halbgeschlossene Griffe, z.B. für das f'', gis'' oder es'', und traditionell/historische Instrumtente wie die galicische Gaita scheinen in ihrer Griffweisen auch weniger auf solche Unterscheidungen angewiesen zu sein.
Kann man denn aus der Länge der Spielpfeife bzw. dem Längenverhältnis von Spielpfeife und Bordun was Vernünftiges ableiten?
Ich finde solche ikonografische Quellen-Fundstücke absolut faszinierend und bin immer gespannt was so mancher Musikwissenschaftler daraus sozusagen "destillieren" kann
Gregorius
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