Ich Grüße die verehrten Sackpfeifer!
Dies wird wohl mein letzter Thread in diesem Forum für die kommenden Jahre bleiben, denn ich habe hier so gut wie alle Themen abgearbeitet die ich wollte.
Die gesamte Sackpfeifenmusik hierzulande hat sich laut meinen Beobachtungen über die letzten Jahrzehnte hinweg in eine Position manövriert, die ihrer Förderung bzw. Entwicklung massiv im Wege steht, und zwar auf mehrere Art und Weisen. Ich schlage vor diesen Umstand in diesem Thread zu diskutieren, zum Zwecke der aktiven Überwindung dieser Hindernisse. Ich fange einfach mal an mit den, in meine Augen, gröbsten Schnitzern.
1). Dudelsack = martialisch!
Es ist wohl die Popularität der GHB und der schottischen Pipe Bands welche die Vorstellung prägten, Dudelsack sei "kriegerisch", "grob", "barbarisch", "von der Kirche/Obrigkeit als 'Teufelsinstrument'/'Kriegsinstrument' verboten", usw., usf. Obwohl die GHB die heute wohl einzige Sackpfeifenart ist, die tatsächlich eine ungebrochene Tradition als "Militärdudelsack" klar und deutlich vorweisen kann, strahlt dieses Erbe irgendwie auf alle anderen Sackpfeife aus. Dadurch ist die Erwartung des breiten Publikums entsprechend geprägt, grob generalisierend kann man sagen, der durchschnittliche Zuhörer erwartet vom Sackpfeifer eine martialische Show, wo die eigentliche Musikqualität im Großen und Ganzen nebensächlich ist. Dies hat dann folgendes zu Folge...
2). Die Dominanz der Pipe Bands
Ob jetzt die klassische schottische Pipe Band, ein MA-Formatio mit drei bis fünf unisono spielenden Marktsackern oder eine französisch-halbgeschlossen-Session die komplett aus Schäferpfeifern besteht, die Art und Weise dieser Darbietung an sich lässt viele Wege offen zum "cheaten". Sprich, wenn die Pipe Band laut und schnell genug ist, was die meisten eben sind, lassen sich viele spielerische Unzulänglichkeiten wie Druckschwankungen, "crossing noises", fehlende Spieltechnik und Taktfehler sehr gut akustisch überdecken. Das Ganze bedient "das Martialische" besonders gut, das Publikum ist zufrieden, und von dem halben Dutzend Sackpfeifer müssen höchstens zwei im Vordergrund stehen und mehr oder weniger spielen können. Dadurch entsteht eben der Effekt, dass sehr viele Sackpfeifer reine Pipe Band - Spieler sind, die selbst nach 20-30 Jahren Pipe Band Erfahrung kein Sackpfeifen-Solo zu geben vermögen, weil sie es schlichtweg noch nie machen mussten! Und das nur weil sie in der ganzen Zeit nie gezwungen waren an ihrer Spieltechnik und Darbietung ernsthaft zu arbeiten!
3). Veränderungen im Musiknutzungs-Verhalten der Bevölkerung
ard-media.de/fileadmin/user_up…106_Clement_Kandziora.pdf
suedkurier.de/ueberregional/ku…-ausgeht;art10399,9580399
Fakt ist, es wird heute hauptsächlich Musik "aus der Dose" gehört, HipHop und Rap sind zumindest unter jungen Leuten die populärsten Musikrichtungen und die klassischen "gitarrenbasierten" Stilrichtungen wie Rock, Punk und Metal scheinen ernsthafte Nachwuchs- und Nachfrageprobleme zu haben. Dies hat meinen Beobachtungen nach auch auf die MA-Märkte und die Sackpfeifenmusik direkte Auswirkungen, die schon anderswo ausgiebig diskutiert wurden. Im Klartext - der klassische organisierte Bühnen-Auftritt verliert immer stärker an Relevanz.
Lösungsvorschläge....
Zu 1).
Es täte der gesamten Sackpfeiferszene gut, sich endlich mal von alles "derb-martialischem" zu distanzieren, und die Sackpfeife so zu verwenden, wie sie eigentlich historisch verwendet wurde; als alltägliches Musikinstrument welches zum Tanz aufgespielt wurde und geselliges Beisammensein förderte!
Zu 2).
Der Solo-Vortrag bzw. Solo-Sackpfeifertum müsste in den Köpfen der Szene zum "Goldstandard" werden, die massige Pipe Band sollte man lieber dort lassen, wo sie auch hingehört - bei schottischen Militärparaden!
Zu 3).
... und wie erreicht man 1). und 2). am Besten, so dass sich 3). von selbst ergibt?
Ich glaube, dies kann man bewirken durch die Veränderung der Darbietungspraxis! Bulgarien z.B. hat heute die höchste Sackpfeiferdichte Europas, die Gaidar sind dort weit außerhalb der Konzerthallen vertreten. Sie begegnet man auf Straßen, auf Hochzeiten, bei örtlichen Festen, usw. Hierzulande ist man aber bis heute irgendwie auf offizielle Konzerte und Bühnen fixiert wenn es um Sackpfeifenspiel geht, kaum jemand geht einfach mal in die Natur bzw. in Stadtparks raus, dort wo Musizieren explizit erlaubt ist, und spielt einfach ma los. Nicht weil es Gage gibt, sondern einfach weil man Sackpfeifenmusik liebt und möchte dass es auch andere hören! Wenn man die Sackpfeifen in Form von Straßenmusik verstärkt in das Alltagsleben der Menschen bringt, werden diese öfters gehört, dadurch wächst die Reichweite der Szene und die Kompetenz des breiten Publikums was Sackpfeifen angeht. Im Gegensatz zum Solo-Vortrag werden die MA - Pipe Bands auf eine natürliche Art und Weise aus der Straßenmusik ausgesiebt, indem diese den Unmut der Passanten und Spaziergänger auf sich ziehen. Denn diese Art von Darbietung kommt außerhalb des Bierzeltes auf der Straße eher schlecht an, das kann ich als Augenzeuge bestätigen.
HIER ist ein Beispiel einer Session. Warum sind unsere Sackpfeifer auf diesselbe Art- und Weise fast nirgendwo zu sehen???
Nur um ein konkretes Beispiel zu nennen:
youtube.com/watch?v=z-kuDZ4-htg
Michael Vereno hat sich als Wandermusikant versucht, und hatte im Zuge seines Projektes nur Positives zu berichten! Ich selbst musiziere seit Jahren immer wieder in der Natur bzw. Parks, privat, für mich selbst, ohne "Hutgeld" o.ä. und teile die Erfahrungen von Michael was die Reaktion von Passanten angeht.
Das Verlagern der Sackpfeifenmusik von der Bühne hin ins Freie, auf Straßen, Parks und Naturgelände ist doch die echte Alternative zur Förderung der qualitativen Sackpfeifenmusik in vielerlei Hinsicht!
Das aber ist eben nur meine persönliche Sicht der Dinge.
Grüße, George
Dies wird wohl mein letzter Thread in diesem Forum für die kommenden Jahre bleiben, denn ich habe hier so gut wie alle Themen abgearbeitet die ich wollte.
Die gesamte Sackpfeifenmusik hierzulande hat sich laut meinen Beobachtungen über die letzten Jahrzehnte hinweg in eine Position manövriert, die ihrer Förderung bzw. Entwicklung massiv im Wege steht, und zwar auf mehrere Art und Weisen. Ich schlage vor diesen Umstand in diesem Thread zu diskutieren, zum Zwecke der aktiven Überwindung dieser Hindernisse. Ich fange einfach mal an mit den, in meine Augen, gröbsten Schnitzern.
1). Dudelsack = martialisch!
Es ist wohl die Popularität der GHB und der schottischen Pipe Bands welche die Vorstellung prägten, Dudelsack sei "kriegerisch", "grob", "barbarisch", "von der Kirche/Obrigkeit als 'Teufelsinstrument'/'Kriegsinstrument' verboten", usw., usf. Obwohl die GHB die heute wohl einzige Sackpfeifenart ist, die tatsächlich eine ungebrochene Tradition als "Militärdudelsack" klar und deutlich vorweisen kann, strahlt dieses Erbe irgendwie auf alle anderen Sackpfeife aus. Dadurch ist die Erwartung des breiten Publikums entsprechend geprägt, grob generalisierend kann man sagen, der durchschnittliche Zuhörer erwartet vom Sackpfeifer eine martialische Show, wo die eigentliche Musikqualität im Großen und Ganzen nebensächlich ist. Dies hat dann folgendes zu Folge...
2). Die Dominanz der Pipe Bands
Ob jetzt die klassische schottische Pipe Band, ein MA-Formatio mit drei bis fünf unisono spielenden Marktsackern oder eine französisch-halbgeschlossen-Session die komplett aus Schäferpfeifern besteht, die Art und Weise dieser Darbietung an sich lässt viele Wege offen zum "cheaten". Sprich, wenn die Pipe Band laut und schnell genug ist, was die meisten eben sind, lassen sich viele spielerische Unzulänglichkeiten wie Druckschwankungen, "crossing noises", fehlende Spieltechnik und Taktfehler sehr gut akustisch überdecken. Das Ganze bedient "das Martialische" besonders gut, das Publikum ist zufrieden, und von dem halben Dutzend Sackpfeifer müssen höchstens zwei im Vordergrund stehen und mehr oder weniger spielen können. Dadurch entsteht eben der Effekt, dass sehr viele Sackpfeifer reine Pipe Band - Spieler sind, die selbst nach 20-30 Jahren Pipe Band Erfahrung kein Sackpfeifen-Solo zu geben vermögen, weil sie es schlichtweg noch nie machen mussten! Und das nur weil sie in der ganzen Zeit nie gezwungen waren an ihrer Spieltechnik und Darbietung ernsthaft zu arbeiten!
3). Veränderungen im Musiknutzungs-Verhalten der Bevölkerung
ard-media.de/fileadmin/user_up…106_Clement_Kandziora.pdf
suedkurier.de/ueberregional/ku…-ausgeht;art10399,9580399
Fakt ist, es wird heute hauptsächlich Musik "aus der Dose" gehört, HipHop und Rap sind zumindest unter jungen Leuten die populärsten Musikrichtungen und die klassischen "gitarrenbasierten" Stilrichtungen wie Rock, Punk und Metal scheinen ernsthafte Nachwuchs- und Nachfrageprobleme zu haben. Dies hat meinen Beobachtungen nach auch auf die MA-Märkte und die Sackpfeifenmusik direkte Auswirkungen, die schon anderswo ausgiebig diskutiert wurden. Im Klartext - der klassische organisierte Bühnen-Auftritt verliert immer stärker an Relevanz.
Lösungsvorschläge....
Zu 1).
Es täte der gesamten Sackpfeiferszene gut, sich endlich mal von alles "derb-martialischem" zu distanzieren, und die Sackpfeife so zu verwenden, wie sie eigentlich historisch verwendet wurde; als alltägliches Musikinstrument welches zum Tanz aufgespielt wurde und geselliges Beisammensein förderte!
Zu 2).
Der Solo-Vortrag bzw. Solo-Sackpfeifertum müsste in den Köpfen der Szene zum "Goldstandard" werden, die massige Pipe Band sollte man lieber dort lassen, wo sie auch hingehört - bei schottischen Militärparaden!
Zu 3).
... und wie erreicht man 1). und 2). am Besten, so dass sich 3). von selbst ergibt?
Ich glaube, dies kann man bewirken durch die Veränderung der Darbietungspraxis! Bulgarien z.B. hat heute die höchste Sackpfeiferdichte Europas, die Gaidar sind dort weit außerhalb der Konzerthallen vertreten. Sie begegnet man auf Straßen, auf Hochzeiten, bei örtlichen Festen, usw. Hierzulande ist man aber bis heute irgendwie auf offizielle Konzerte und Bühnen fixiert wenn es um Sackpfeifenspiel geht, kaum jemand geht einfach mal in die Natur bzw. in Stadtparks raus, dort wo Musizieren explizit erlaubt ist, und spielt einfach ma los. Nicht weil es Gage gibt, sondern einfach weil man Sackpfeifenmusik liebt und möchte dass es auch andere hören! Wenn man die Sackpfeifen in Form von Straßenmusik verstärkt in das Alltagsleben der Menschen bringt, werden diese öfters gehört, dadurch wächst die Reichweite der Szene und die Kompetenz des breiten Publikums was Sackpfeifen angeht. Im Gegensatz zum Solo-Vortrag werden die MA - Pipe Bands auf eine natürliche Art und Weise aus der Straßenmusik ausgesiebt, indem diese den Unmut der Passanten und Spaziergänger auf sich ziehen. Denn diese Art von Darbietung kommt außerhalb des Bierzeltes auf der Straße eher schlecht an, das kann ich als Augenzeuge bestätigen.
HIER ist ein Beispiel einer Session. Warum sind unsere Sackpfeifer auf diesselbe Art- und Weise fast nirgendwo zu sehen???
Nur um ein konkretes Beispiel zu nennen:
youtube.com/watch?v=z-kuDZ4-htg
Michael Vereno hat sich als Wandermusikant versucht, und hatte im Zuge seines Projektes nur Positives zu berichten! Ich selbst musiziere seit Jahren immer wieder in der Natur bzw. Parks, privat, für mich selbst, ohne "Hutgeld" o.ä. und teile die Erfahrungen von Michael was die Reaktion von Passanten angeht.
Das Verlagern der Sackpfeifenmusik von der Bühne hin ins Freie, auf Straßen, Parks und Naturgelände ist doch die echte Alternative zur Förderung der qualitativen Sackpfeifenmusik in vielerlei Hinsicht!
Das aber ist eben nur meine persönliche Sicht der Dinge.
Grüße, George
Slow equals smooth and smooth equals fast
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